Bettler 03 - Bettlers Ritt
und das ist auch der Grund dafür, daß ich das sofort erfahren habe. Man kann nicht zulassen, daß daraus ein Trend wird! Nutzer in öffentlichen Ämtern! Was für eine beschissene Vorstellung!«
»Die Wählerregistrierung war doch rechtlich in Ordnung, oder?«
Cazie fuhr sich mit den Fingern durch ihre dunklen Locken. »Das ist ja das Problem. Sie geht rechtlich in Ordnung. Es ist zu spät, noch mehr Macher zu mobilisieren – und wir können das Programm nicht direkt manipulieren, weil die Medien sich sofort darauf stürzen würden. Weil es eben eine gute Story abgibt. Ich habe Sue Livingston angerufen und Don Serrano und auch ihre Kampagne-Manager und ich denke, du solltest bei unserem Treffen dabeisein. Wenn auch nur aus dem Grund, daß TenTech durch diese Sache möglicherweise tangiert wird. Hast du eine Ahnung, wieviel wir in Distrikts- und Staatsanleihen investiert haben – um nur einen Aspekt der Situation anzusprechen?«
»Nein«, sagte Jackson langsam. »Habe ich nicht.«
»Na gut, dann werde ich dich bei Gelegenheit aufklären. Normalerweise würde ich dich in die politische Seite der Firma nicht hineinziehen, aber diesmal… Jackson, du hast dir einfach noch nie vor Augen gehalten, wie wichtig die politische Seite ist! TenTech besteht aus politischen Verbindungen!«
»Und ich dachte, TenTech besteht aus Fabriken, die Güter des täglichen Bedarfs herstellen.«
Cazie seufzte. »Hätte ich mir gleich denken können. Also jedenfalls findet das Treffen morgen früh um neun statt. Bei mir.«
Jackson erwiderte nichts darauf. Hinter ihm hatte sich das Gebrüll zu einem glücklichen Gebrabbel reduziert. Er spürte, daß jemand die Augen auf ihn richtete, und drehte sich um. Vicki Turner stand drei Schritte von ihm entfernt und lauschte mit schamloser Offenheit.
»Jack?« sagte Cazies Bild auf dem kleinen Schirm des MobiLinks.
Vicki flüsterte ihm zu: »Wenn Sie ihr nicht sagen, daß Sie uns geholfen haben, wird sie es vermutlich nie erfahren!«
»Jack? Bist du noch da?«
»Sie können ganz einfach wiederum für die andere Seite weiterarbeiten«, fuhr Vicki fort, »und TenTechs politische Tentakel absichern. Und nichts dabei verlieren… oder? Glauben Sie, Sie würden etwas verlieren, Jackson?«
»Jack!«
Jackson hob das MobiLink und hielt die Linse in einem Winkel, daß Cazie das Innere des Gebäudes sehen konnte, dann Vicki und dann wieder ihn selbst. »Ich bin hier in Willoughby, Cazie. Ja, ich komme morgen zu dem Treffen, um die Interessen von TenTech fein säuberlich von den kommenden Wahlen zu trennen. Aber nicht, um die Resultate der Wählereintragung ungeschehen zu machen.«
Cazie schnappte nach Luft. Jackson unterbrach die Verbindung, bevor sie Worte fand, und instruierte das MobiLink, die nächsten sechs Stunden alle Anrufe zu ignorieren. Dann wandte er sich an Vicki. »Aber ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, daß ich noch lange kein politischer Reformer bin, nur weil ich nicht zulasse, daß mit Wählerzahlen jongliert wird. Ich bin Arzt.«
»In dieser Situation nutzt uns kein Arzt«, sagte sie.
»Und Sie? Werden Sie immer zu dem, was in einer bestimmten Situation nutzt? Keine persönlichen Präferenzen?«
»Sie haben ganz recht. Ich bin bloß das, was ein Haufen chemischer Botenstoffe im Hirn aus mir macht, wenn sie auf gewisse Stimuli reagieren.«
»Das glauben Sie doch selbst nicht.«
»Nein. Glaube ich nicht. Aber Sie tun es«, sagte sie und ging davon.
Und damit hatte sie das letzte Wort, fiel Jackson auf.
Jetzt saßen die Nutzer auf Reihen schlachtenerprobter Stühle und unterbrachen Lizzie und Shockey und Billy Washington, während diese laut über ihre Pläne nachdachten. Jackson ließ den Blick über die hingelümmelten Körper wandern – unproportioniert, plump, ungebildet, streitsüchtig, grob. Gekleidet – wenngleich nicht sehr – in geschmacklose, grellfarbige Plastiksachen und selbstgewebte Lumpen. Einander Dummheiten an den Kopf werfend, motiviert von Habgier, unrealistischen Erwartungen, Uneinsichtigkeit und absoluter Ahnungslosigkeit, was staatliche Strukturen betraf.
Er verließ die politische Versammlung und flog nach Hause.
Buch II
MÄRZ – APRIL 2121
Zugehörigkeit verlangt nach Abgrenzungen; ein wir muß nach gewissen Gesichtspunkten definiert werden, wenn es Verpflichtungen dem wir gegenüber geben soll; und in dem Moment, da es ein wir gibt, wird es auch ein sie geben.
James Q. Wilson,
Das moralische
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