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Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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jedoch unterließen, seit Miranda Sharifi achtzig Prozent der Zivilisation wiederum zu Nomaden gemacht hatte, die weder dem Zug der Wildtiere noch ihren eigenen Viehherden, sondern nur der Sonne folgten. Und diese Wähler aus Pennsylvania hatten vor, bei einer Sonderwahl am 1. April ihren eigenen Kandidaten in ein Distriktsamt zu wählen. Einen Nutzer-Kandidaten.
    Jennifer saß reglos da und überlegte.
    Paul sagte: »Im Hinblick auf unsere eigenen Interessen ergeben sich zwei Gesichtspunkte. Der positive: je mehr Zwist unter den Schläfern, desto mehr Aufmerksamkeit müssen sie dem Kampf untereinander widmen und desto weniger Aufmerksamkeit können sie für uns erübrigen – egal, was wir tun. Der negative: Nutzer in Machtpositionen schaffen einen zweiten Block, gegen den wir uns schützen müssen, und noch dazu einen unbekannteren und weniger vorhersehbaren als die Schläfer-Aristokratie. Diese Meldungen jedenfalls scheinen darauf hinzudeuten, daß Nutzer an den Schalthebeln der Macht eine reale Möglichkeit darstellen. Selbst wenn man die hysterischen Übertreibungen berücksichtigt.«
    Jennifer überflog noch einmal die Überschriften der Ausdrucke:
    WIRKSAME REGIERUNGSTÄTIGKEIT
    GEFÄHRDET:
    »WIR WOLLEN ZUR ABWECHSLUNG
    MAL DIE SACHE AUF NUTZER-ART
    IN DIE HAND NEHMEN!«
    SAGT KANDIDAT FÜR DISTRIKTSLEITERAMT
    IN PENNSYLVANIA
     
    WOLLEN NUN DIE KINDER DAS
    WAISENHAUS LEITEN?
    EINE UMKEHRUNG DER PRIORITÄTEN
    DES VIERZEHNTEN ZUSATZARTIKELS
    ZUR VERFASSUNG
     
    DIE LEGALE OLIGARCHIE – LÄUFT
    DIE BIOLOGISCHE UHR DIESER
    REGIERUNGSFORM SCHLIESSLICH AB?
     
    WIE WAR DAS MÖGLICH?
    UNABHÄNGIGE KOMMISSION
    UNTERSUCHT EMPÖRENDE VORGÄNGE BEI
    DER KAMPAGNE IN PENNSYLVANIA
     
    »LASS MEIN VOLK ZIEHEN!« –
    EINE UNGEEIGNETE FORMEL, UM
    REGIERUNGSDESASTER ZU MASKIEREN
     
    »HÖCHSTE ZEIT, DIE VORAUSSETZUNGEN
    FÜR DIE EINTRAGUNG
    IN DIE WÄHLERLISTE ZU ÜBERDENKEN«,
    ERKLÄRT MEHRHEITSFÜHRER BENNETT
     
    »Ich habe die Wahrscheinlichkeiten in ein Eisler-Signifikanzprogramm eingegeben«, sagte Paul. »Falls dieser Nutzer-Kandidat die Wahl gewinnt, wären die Auswirkungen weitreichend und distriktsübergreifend. Wir haben hier einen Faktor von 4,71 für das Zutreffen des Ereignisses. Ein Nutzer-Sieg würde eine Wahrscheinlichkeit von siebenundachtzig Prozent bedeuten, daß daraus die Keimzelle eines fundamental transformierten Systems wird.«
    »Kann er siegen?« fragte Jennifer.
    »Nein.«
    »Geld?«
    »Natürlich. Die Macher-Kandidaten werden die Wähler kaufen.«
    »Dann ist unsere Sorge…«
    »Ein Testgelände.« Paul fuhr sich mit der Hand über das Haar, das immer noch dicht und glänzend braun war. Die Männer auf Sanctuary trugen das Haar kurz geschnitten und glatt, und die Frauen hielten es ebenso. Jennifers langes schwarzes Haar war eine Ausnahme. Sie trug es in einem Knoten im Nacken. Will sagte, damit sähe sie aus wie eine Hausmutter aus dem alten Rom. Es war eines der wenigen Dinge aus Wills Mund, die ihr in letzter Zeit gefallen hatten.
    »Mir ist klar«, fuhr Paul fort, »daß wir vorhatten, Strukows Substanz an einer Macher-Enklave zu testen. Schließlich sind sie die Zielpopulation. Aber diesen Nutzer-Stamm zu verwenden könnte noch günstiger sein. Wir haben mit dieser Wahl nichts zu schaffen, weder mit dem früheren Amtsinhaber noch mit dem Nutzer-Kandidaten. Niemand hätte Grund anzunehmen, daß wir etwas damit zu tun haben.«
    »Aber überwintern die Nutzer-Wähler nicht in weitverstreuten Gebieten? Der Einsatz der Substanz würde sich als deutlich schwieriger erweisen.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Paul. »Der Distrikt Willoughby besteht zum Großteil aus hügeligem Gelände und Mittelgebirge. Das Klima im Winter ist öde. Es gibt nur einundzwanzig Nutzer-Lager im Distrikt. Alle haben zeltüberdachte Nährplätze, die von ferngesteuerten Flugkörpern leicht zu verseuchen wären. Und kein einziges Lager verfügt über irgendeine Art von Radar – im Gegensatz zu den Macher-Enklaven. Auf dem letzten Blatt der Ausdrucke befindet sich eine Landkarte.«
    Jennifer studierte die Karte und dann die Seite mit den Eisler-Berechnungen. Sie nickte. »Ja. Ich verstehe. Wenn die Nutzer diese Wahl verlieren, gibt es keine Auswirkungen auf das System.«
    »Alles ist so wie vorher. Und dann können wir mit den Enklaven weitermachen.«
    »Ja. Weitermachen. Und dies hier wird ein interessanter kleiner Test sein, der zugleich eine tiefgreifende Veränderung des Systems verhindert.«
    Paul nickte.

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