Bettler und Hase. Roman
das Rumhampeln nütze nichts, wenn der Motor schon so viele Kilometer gelaufen war.
»Sagt der am Straßenrand verreckte Laster. Du bist bloß neidisch.«
»Stimmt.«
Pykström leerte seine Bierflasche, stand auf und küsste Frau Pykström auf den Hals. Von allen Zumbafrauen auf der Welt liebte er nur diese eine. Und wenn man es genau nahm, bestand die Sülze ja im Grunde aus der straffen Haut, die er in den frühen siebziger Jahren kennengelernt und genommen hatte.
»Prachtarsch«, sagte Pykström und versetzte seiner Frau einen Klaps auf den Hintern.
Es gab viele Dinge, die Harri Pykström nur schwer ausdrücken konnte, aber seine Liebe brachte er so leicht und schnell zum Ausdruck wie ein Kind. Sie war unanfechtbar und wahr, und sie hatte ihn schon oft gerettet. Er wusste genau, dass der Mensch jemanden braucht, bei dem er sein kann, sonst fehlt ihm ein Platz. Sonst gehört er der Katz.
Pykström goss Kaffee in die Tasse, Vollmilch hinterher, gab vier Stück Zucker dazu und steckte sich zusätzlich zwei in den Mund. Er nahm seinen Tarnanzug vom Haken und prüfte, ob die Zigaretten in der Brusttasche steckten. Seiner Frau sagte er, er mache Feuer in der Sauna, weil es so aussehe, dass heute Abend nichts laufe. Wie schon seit Jahren nicht – bei ihm. Seit dem Herzinfarkt war das Interesse erloschen, und Harri Pykström sagte, er sei von der Koitusfixierung zum nächsten Stadium der Liebe übergegangen: zum Necken.
Nachdem er den Tragekorb mit Brennholz gefüllt hatte, sah er durchs Fenster, wie sich seine Frau mit dem Schweißband die Stirn wischte. Er überlegte, warum er sich eigentlich nicht frei fühlte, obwohl doch alles zugunsten der Freiheit geregelt war. Er hatte seine Frührente, sein Häuschen in den Fjälls, sein Holz im Korb und ein Kleinkalibergewehr in sicherer Verwahrung.
Beim Saunahäuschen angekommen, vergewisserte er sich, dass ihn seine Frau nicht sah, dann nahm er die Flasche aus ihrem Versteck im Sockel. Ein, zwei Portiönchen können nicht schaden, ein Kurzer und ein Schnäpschen, immerhin ist Freitagabend, und die Sonne geht so schön unter. Nach dem Herzinfarkt hat ihm der Arzt das Trinken zwar verboten, aber man kann einem Mann nicht das Leben verbieten. Werktags holt sich Pykström in Schweden drüben Dünnbier. Das trinkt man gegen den Durst, davon kriegt man nicht mal einen Kater. Man wird leicht angedüdelt, das reicht.
Pykström schob die Birkenscheite in den Ofen und riss Rinde als Anzünder ab. Sein Sohn hatte ihm mit dem Lieferwagen fünf Kubikmeter trockene Birke gebracht und dann das Maul aufgerissen von wegen, warum baust du dir keinen Elektro-Ofen ein, Vater. Ein Elektro-Ofen in der Wildmarksauna?! Er schämte sich ja schon, fertig geliefertes Holz zu verbrennen, aber der Körper machte halt nicht mehr mit. So ging das die ganze Zeit, dachte Harri Pykström, lauter übermäßige Lebenserleichterungen, obwohl die ursprüngliche Idee darin bestanden hatte, in der Natur und nach ihren gnadenlosen Bedingungen zu leben, in der Umklammerung von wilden Tieren. Aber die Realität schlug einem wie ein nasser Lappen ins Gesicht, man konnte das Altern nicht aufhalten, auch nicht indem man sich einen Jugendtraum erfüllte.
Pykström setzte sich in der Sauna auf die oberste Pritsche, lauschte, wie das Feuer prasselte und der Ofen Töne von sich gab. Vielleicht noch ein Schlückchen, ein schneller Guss hinter die Binde, und so ein kleiner Kurzer würde schon keinen Schaden anrichten.
In diesem Herbst waren zwei Jahre seit dem Herzinfarkt vergangen.
Harri Pykström hatte einen Wehrpflichtigen, der nicht aus dem Urlaub zurückgekehrt war, aus der Zelle holen wollen, da spürte er ein Stechen in der Brust. Als er im Aufwachzimmer zu sich kam, wurde ihm klar, dass sich etwas ändern musste und dass der Ort der Veränderung in Perä-Kompio lag, wo die Streitkräfte schon seit Jahren versuchten, ein Häuschen zu verkaufen. Bis jetzt hatten ihm der Mut und die Zeit gefehlt, es zu erwerben.
Dort würde er hingehen. Dort würde er sterben. Am Ende eines Waldwegs, ohne Komfort, leicht instand zu halten, achtzehntausend Euro.
»Und ich?«, erkundigte sich Frau Pykström vorsichtig schrill.
»Ohne dich gehe ich nirgendwohin«, sagte Pykström.
»Wenn du vorhast, nach Lappland zu ziehen, darfst du das allein tun.«
Pykström packte seine Klamotten, kaufte das Häuschen und flog nach Kittilä. Im Sportartikelgeschäft in Muonio erstand er einen Quad, fuhr damit zum Häuschen und fing an,
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