Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bettler und Hase. Roman

Bettler und Hase. Roman

Titel: Bettler und Hase. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuomas Kyrö
Vom Netzwerk:
zu erfüllen!«

Miklos Vatanescu strampelte auf seinem Dreigangrad vom Briefkasten zum Haus. Der Stapel auf dem Gepäckträger enthielt die überregionale Zeitung, die Zeitung der Partei der Gewöhnlichen Menschen, die Telefonrechnung sowie eine Postkarte aus Lappland, auf der stand:
    »Der Sizilianer!!! Parteichef! Leck-mich-am-Arsch!!!
    Glückwunsch!!! Sag Bescheid, wenn die Planwagen deiner Partei mal hier in die Gegend kommen! Meine Sauna ist immer warm für dich, für das Karnickel und für den Rest!!! Von mir aus für die ganze verdammte Sippschaft! Wenn man zu mehreren ist, säuft es sich besser!!! Obwohl ich ja nicht saufe, sondern nur ab und zu ein Schlückchen trinke!!! Schönen Gruß auch von der Hausherrin!!! Du glaubst es nicht, aber ich hab mit Zumba angefangen, man ist abends ein ganz anderer Mensch!!!
    PS : Ich hätte eine Denkmal-Idee!!! Vor der Hauptpost wäre ein guter Platz: ein Denkmal für Arto Paasilinna als Bahnbrecher!!!
    Dein Harri Pykström!!!»

    Miklos brachte die Post ins Arbeitszimmer im ersten Stock des Einfamilienhauses, wie er es in den Wochen, die er bei seinem Vater verbrachte, immer tat. Jetzt saß allerdings nicht sein Vater im Arbeitszimmer, sondern Onkel Simo. Er bat Miklos, auf Vatanescus Schreibtischstuhl Platz zu nehmen. Mit ernstem Gesicht, braunen Augen, freundlich und ruhig, ganz der Vater, setzte sich Miklos Vatanescu hin. Onkel Simo hatte eine Plastiktüte der bekannten Ladenkette mit einem Geschenk für ihn dabei.
    Die Siwa-Tüte war ein Klassiker; darin transportierte Simo Pahvi Unterlagen, Verträge und leere Zigarettenschachteln als Konzeptpapier. Die Siwa-Tüte war außerdem das erste Piratenprodukt der Welt, das mehr kostete als das Original: 56 Euro statt 20 Cent. Simo griff tief in die Tüte und stellte kurz darauf ein Paar Fußballschuhe auf den Schreibtisch.
    »Kannst du schon eine Schleife binden?«
    Der Junge schüttelte den Kopf und lächelte in sich hinein. Er hatte noch nie Schnürsenkel an den Schuhen gehabt. Ihm wollten die Tränen kommen, und er jubelte innerlich. Sein Vater hatte Wort gehalten, der Junge bekam Stollenschuhe, und seinen Vater hatte er auch zurückbekommen.
    »Irgendwann werden die Füße zu groß, so wie eine Partei zu groß werden kann. Dann gibt’s nur eins: größere Latschen her!«
    Sie probierten die Schuhe an. Die Größe war genau richtig.
    »In einer Partei muss Platz zum Wachsen sein«, meinte Pahvi und kostete den Gehalt seiner Worte. »In Fußballschuhen nicht. Das könnte der Anfang einer Rede sein, oder?«
    Er band Miklos die Schuhe mit einem Doppelknoten und forderte den Jungen auf, ein paar Schritte zu laufen. Dann knüllte er die Tageszeitung zu einer Kugel zusammen und warf sie auf den Boden. Miklos nahm sie mit der Spitze des einen und der Ferse des anderen Schuhs auf und jonglierte sie einige hundert Mal in der Luft.
    »Such dir aus der anderen Tüte ein Trikot aus!«
    Miklos Vatanescu schoss die Kugel in den Papierkorb und setzte sich auf den Fußboden, so wie Kinder es tun: Beine seitlich abgeknickt, Po auf dem Teppich. Er sah sich die verschiedenfarbigen Trikots an und entschied sich für die Nummer zehn von Brasilien. Pahvi hielt das für eine sehr kluge Wahl.
    »Eine neutrale Truppe mit Qualität. Mehrfarbig. Wie Schweden, aber weiter weg. Und im Kontakt mit uns historisch unbelastet!«
    Zunächst fühlte sich das Trikot etwas klebrig auf der Haut an, aber als Miklos sich im Spiegel sah, vergaß er das Jucken. Stollenschuhe und Trikot – dies war der glücklichste Tag seines bisherigen Lebens hier in Nurmijärvi.
    »Das finnische Trikot heben wir für wichtigere Stunden auf«, sagte Pahvi. »Jetzt gehen wir runter und schauen, wie das Fett brutzelt.«

In Nurmijärvi , einer Gemeinde im Speckgürtel von Helsinki, stand Vatanescus Mutter vor einem Eigenheim auf dem gemähten Rasen. Sie blickte nach rechts und sah eine Reihe Häuser, die genauso aussahen und ebenso große Gärten hatten. Sie blickte nach links und sah eine Reihe gleichförmiger Häuser mit großen Gärten. Sie stand im Freien, weil ihr die Fußbodenheizung im Haus nicht geheuer war. Als würde unter einem die Hölle Funken sprühen. Vatanescu hatte seiner Mutter zu erklären versucht, eine Fußbodenheizung sei eine energiesparende Heizmethode, zugleich aber auch ein Symbol für den Prozess der Vermittelständischung der Gesellschaft. Immer nur vorwärts, wie der finnische Eishockeyspieler in Vatanescus Wahlkampagne gesagt hatte. Für die

Weitere Kostenlose Bücher