Bettys Horrortrip
unsere Gesichter schnitt, als bestünde er aus zahlreichen Messerklingen.
Betty van Steen ging an meiner rechten Seite. Sie hatte die Hände in den Taschen des jackenähnlichen Mantels vergraben und hielt den Kopf gesenkt, als wollte sie bei jedem Schritt den vor ihr liegenden Weg kontrollieren. Ich konnte mir vorstellen, wie es in ihr aussah. Sie war einem Phänomen begegnet, für das es keine logische Erklärung gab.
Geister aus der Totenwelt hatten sie überfallen und malträtiert.
Sie waren so lautlos auf sie zugestürmt wie die bunten, von den Bäumen fallenden Blätter.
Andere Menschen sahen wir kaum, so kamen wir uns beide allein vor.
Verfolger waren nicht zu sehen, Geister und Totengeister erst recht nicht.
Beinahe wären wir an dem Haus vorbeigelaufen. Im letzten Augenblick schaute ich hin, und mir fiel die altmodische Kutscherlampe auf, die über der Haustür hing.
»He, wir sind da!«
Betty erwachte wie aus einem kurzen Schlummer. »Pardon, ich war in Gedanken…«
»Das kann ich mir denken.«
Sie schaute am Haus hoch und runzelte die Stirn, was mich zu der Frage veranlaßte, ob irgend etwas wäre.
»Nein, nein, im Prinzip nicht.« Sie strich über ihren Nasenrücken. »Ich frage mich nur, was uns jetzt in meiner Wohnung erwartet.«
»Nichts.«
»Bist du dir da sicher?«
»Ja.«
Ihre nächste Bemerkung klang sarkastisch. »Im Prinzip hast du recht. Eine tote Katze kann es nicht sein. Die war ja schon tot«, gab sie zu.
»Hast du den Schlüssel?«
»Sicher.« Sie öffnete die Haustür. Ich betrat das Haus vor ihr, aber auch hier unten hatte sich nichts verändert. Es war niemand da, der uns erwartete.
Wir gingen zum Lift, der von oben heranschwebte. Als er stoppte und die Tür sich öffnete, verließen ein Mann und eine Frau die Kabine. Beide grüßten freundlich, während wir einstiegen.
»Mitbewohner«, sagte Betty.
»Das dachte ich mir.«
Sie lehnte an der Seitenwand und lächelte verkrampft. »Es ist alles so normal, John, so verdammt normal, John. Findest du das nicht auch?«
»Allerdings.«
»Und trotzdem ist es unnormal. Ich weiß das. Ich bin mir sicher. Es ist so, als wäre das normale Leben gar nicht mehr wahr, sondern eine Insel, die davongeschwemmt ist. Ich komme nur schlecht damit zurecht. Du wirst sicherlich darüber lächeln, aber versetze dich bitte in meine Lage. Ich weiß kaum noch ein und aus. Ich bewege mich in der normalen Welt, und trotzdem habe ich allmählich das Gefühl, in eine andere Welt, die Totenwelt zu gehören. Die unsichtbare Welt ist viel stärker geworden und hat die normale verdrängt.«
»Das kann ich zwar nicht nachvollziehen, aber ich möchte dir nicht widersprechen.«
Wir gingen in den Flur. Es waren nur mehr ein paar Schritte bis zu Bettys Wohnung, und die Schlüssel hielt sie bereits in der rechten Hand. Ihr Blick war unstet geworden. Sie glich einer Person, die zwar etwas suchte, aber nicht genau wußte, wonach sie schauen sollte.
Es war nichts vorhanden.
Sie steckte den ersten Schlüssel ins Schloß, hielt aber noch einen Moment inne. Dabei drehte sie den Kopf nach rechts und schaute mich an. »Ich habe das Gefühl, daß wir meine Wohnung verändert vorfinden, John. Ich, ich spüre es.« Über ihr Gesicht rann eine Gänsehaut, und sie zog ihren Rücken zusammen.
»Soll ich als erster die Wohnung betreten?«
»Nein, das ist zwar lieb, aber das laß bitte sein. Ich muß schon selbst damit zurechtkommen. Außerdem bin ich nicht allein.«
»Da hast du recht.«
Wir waren die einzigen Menschen auf dem Flur. In der Stille hörte ich, wie Betty den Schlüssel drehte. Sie mußte auch noch die beiden anderen Schlösser öffnen, und sie war zufrieden damit, denn niemand hatte sie zuvor geöffnet.
»In der Zwischenzeit hat niemand die Wohnung betreten«, sagte ich.
»Kann man es wissen?« Betty war skeptischer als ich, und sie drückte die Tür auf. Vor uns lag die Diele. Wir traten ein und gingen in die Helligkeit, denn wir hatten das Licht bei unserem Fortgang nicht gelöscht. Es war nichts verändert, zumindest nicht auf den ersten Blick, und ich schloß hinter uns die Tür.
Auf den zweiten Blick entdeckten wir es. Betty sogar eine Idee früher als ich.
»Da, John! Da, schau hin!« Sie hielt den rechten Arm ausgestreckt, den Zeigefinger ebenfalls, und sie wies mit der Spitze auf eine bestimmte Stelle des Parkettbodens.
Jetzt sah ich es auch, und es war eigentlich nicht zu übersehen, denn es war in dunkler Farbe oder wie auch immer auf
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