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Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)

Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)

Titel: Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Kassem
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Tal. Viktor hatte kurzzeitig Angst, dass er nun tot und das Spiel vorbei war, aber erstaunlicherweise starb er nicht, sondern fiel in ein Loch im Boden des Tals und landete in einer Höhle voller Goldstücke und Schatztruhen und Kronen und goldener Kelche, die von einem Minotaurus bewacht wurden. Viktor stand mit klopfendem Herzen und rasendem Puls vor dem Bildschirm und überlegte, wie er an dem furchterregenden Minotaurus vorbeikommen könnte.
    Irgendwann hörte er am Rande seines Bewusstseins eine Stimme, di e über die Lautsprecher dröhnte: „ Ein kleiner Junge wird vermisst. 7 Jahre alt, kleine Statur, dunkle Haare, Name: Viktor Abies “, und dann hörte Viktor erstaunt die Stimme seiner Mutter: „ Viktor, such eine Kassiererin und sag ihr deinen Namen “, dröhnte es aus den Lautsprechern.
    Viktor erschrak, ließ den Joystick fallen und lief aus dem Gang. Als er gerade die Kurve in den Hauptgang nehmen wollte, rutschte er aus. Schnelles Laufen um eine steile Kurve auf einem glattpolierten Boden war eine komplizierte Angelegenheit. Seine Schuhe quietschten auf dem Linoleum, er schlitterte auf dem Boden, strauchelte, verlor den Halt und landete in einem Regal voller CD-ROMs. Das lange dünne Regal schwankte durch die Wucht, kippte um und landete in einem großen Regal voller externer Festplatten, wo es ein paar Festplatten herausfegte und ein paar Ausstellungsstücke zerschmetterte. Ein 20er-Pack CD-ROMs krachte mit der Kante auf Viktors Nacken und er schlug sich die Stirn an, als er zu Boden fiel. Ihm war schwindlig, er sah ein paar Leute um sich herum, die besorgt auf ihn hinunterblickten, er wollte aufstehen und zu den Kassen laufen, denn seine Mutter hatte ja gesagt, dass er zu einer Kassiererin muss, aber dann wurde ihm wieder schwindlig und er übergab sich. Ein Mann in einer roten Weste wischte ihm den Mund ab, hob ihn hoch und trug ihn irgendwohin. Viktor wurde schwarz vor Augen, er lehnte den Kopf in den Nacken des Mannes, atmete tief ein und befand, dass der Mann gut roch. Er kannte den Geruch, sein Vater roch ähnlich, Viktor wusste, dass es irgendwas war, was so ähnlich wie Odakoloin hieß.
    Als er die Augen wieder öffnete, beugte sich ein Mann in Weiß über ihn herab und leuchtete mit einer Taschenlampe in seine Augen. Als er nicht mehr geblendet war, sah er seine Mutter mit einem besorgten Gesichtsausdruck auf ihn herunterblicken. Direkt daneben stand ein bleicher, ängstlicher Oded. Viktor bekam ein Pflaster auf seinen Nacken und ein bisschen Jod auf die Platzwunde auf seiner Stirn. Helena bekam eine Rechnung über die zwei zertrümmerten Festplatten und die vier Festplatten, die unverkäuflich wurden, weil sich Viktor darauf übergeben hatte. Sie drückte die Rechnung kommentarlos Oded in die Hand, der sich bestürzt die Summe anschaute und dann gebückt und niedergeschlagen seinen Geldbeutel herausnahm und zur Kasse ging.
    Helenas einzige Reaktion war Schweigen , es erfüllte das Auto auf dem Rückweg mit einer eiskalten Stille. Aber Oded und Viktor verstanden die Botschaft, und seitdem blieben sie brav und bewegungslos in unmittelbarer Nähe Helenas, wenn sie ins Einkaufszentrum gingen, folgten ihr auf Schritt und Tritt und schauten sich Knöpfe und Zwirn und Nadeln und Wolle und Schnittmuster und Stopfgarn und Füllmaterial und Schulterpolster an.
     
    Als Helena fertig war, verstauten sie die Tüten im Auto und fuhren zum Zollamt. Dort blieben Oded und Viktor im Auto sitzen, während Helena hineinging, um eine Lieferung in Empfang zu nehmen. Das geschäftige Treiben in der Innenstadt von Hedera Helix am Samstagmittag war ein Gewusel aus Autos, Menschen, Staub und Lärm. Ein Hotdog-Verkäufer schrie „Hotdogs!“, ein paar Autos hupten das erste Auto in der Kolonne an, weil die Ampel grün wurde und das Auto nicht anfuhr, eine Gruppe Frauen ging vorbei, es sah so aus, als ob sie streiten und sich anschreien würden, aber sie lächelten und lachten laut. Die Hitze war unerträglich, Viktor saß schwitzend auf der Rückbank, die Sonne schien schräg ins Auto hinein. Das Radio lief.
    Oded summte und sang „ Cuz you gotta have faith faith faith, you gotta have faiiiith “ und trommelte auf dem Lenkrad. Eine Schweißperle lief seinen Nacken herunter.
    „Hey Viktor“, rief er nach einer Weile, „siehst du da hinte n? Da ist ein Slush-Verkäufer!“ Er zeigte mit dem Finger nach links.
    Viktor schaute, sah nichts und fragte: „Was ist das?“
    „Kennst du Slush?“, fragte

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