Betula Pendula: Erster Zyklus: Frühling (German Edition)
schon mal erzählt!“
Viktor dachte angestrengt nach.
„Die Antarktis! Ich habe dir doch Abramskaya auf der Karte gezeigt. Und in der Nähe ist Cahuc, der sicherste Ort der Welt. Da sind keine Reptilien. Reptilien kommen niemals dorthin, denn sie würden direkt sterben am Südpol, weil das der kälteste Ort der Welt ist.“
Viktor erinnerte sich und rief: „Ja!“
„Cahuc ist jetzt genehmigt und freigeschaltet. Du hast jetzt alle Zugangsrechte dafür. Die Liga der Vögel hat geschworen, immer auf dich aufzupassen und dich immer zu beschützen, deswegen haben sie Cahuc für dich geöffnet. Du kannst immer dorthin fliehen, wenn etwas Schlimmes passiert. Wenn du mal Angst hast oder bedroht wirst oder wenn etwas passiert, dann gehst du nach Cahuc und versteckst dich dort. Dort findet dich niemand, und du wartest dann dort, bis alles vorbei ist, und bis es wieder sicher ist. Dann kannst du zurückkommen.“
„Aber die Antarktis ist weit. Wie komme ich da hin?“
„Deswegen bin ich heute hier. Ich wurde dafür gestern und vorgestern ausgebildet, um dir das zu zeigen. Jetzt kann ich das und werde dir das beibringen.“
Viktor nickte.
„Es gibt einen Punkt in deinem Gehirn, der mit Cahuc verbunden ist.“ Cristobal umschwirrte Viktors Kopf und zeigte auf eine Stelle auf seinem Schädel. „Da.“
Viktor tat seinen Finger auf der Stelle, da war nichts.
„Wir werden das üben. Ich zeige dir das. Du musst dich konzentrieren, und wenn du dich stark genug konzentrierst, dann kannst du den Punkt finden, und dann kannst du in den Punkt hineingehen und dann bist du in Cahuc.“
Cristobal sprach auf Viktor ein und gab ihm Richtungsangaben und Vorgehensweisen. Viktor hörte den Anweisungen zu, konzentrierte sich auf den Punkt. Er erinnerte sich, dass er vor einigen Monaten genau den Punkt, den Cristobal ihm jetzt zu zeigen versuchte, schon mal gespürt hatte. Er fand ihn wieder und umkreise ihn mit seinen Gedanken.
„So, hast du ihn?“, fragte Cristobal.
Viktor nickte und schloss die Augen.
Er spürte den kleinen, hässlichen dunklen Punkt, ein kleines Stück verhärtetes Gewebe in seinem Gehirn.
Er sah den kleinen, hässlichen dunklen Punkt, eine kleine schwarze Murmel, die in den Windungen seines Gehirns lag. Die Venus, die sich vor die Sonne schiebt.
Dann war er da. Er spürte sich selbst und spürte den Punkt und merkte, dass er offen war und er nur hineingehen muss.
„So, jetzt!“, rief Cristobal.
Es blinkte in Viktors Gehirn
Als er seine Augen öffnete, wurde er vor Schreck ohnmächtig.
Als sein Bewusstsein lang sam und zähflüssig zurückkehrte, hörte er Cristobals Stimme, die „Viktor! Viktor, wach auf! Viktor!“ schrie. Die Stimme zog ihn aus der trägen, schweren Flüssigkeit seines Unterbewusstseins heraus, er öffnete die Augen, blinzelte ein paar Mal und dachte, er wäre blind.
Alles vor seinem Gesichtsfeld war weiß. Er blinzelte ein paar Mal, und es blieb weiß.
Seine Augen tränten. Er schloss sie, bis das Brennen ein wenig abkühlte und öffnete sie wieder.
Dann flatterte ein zerzaustes Etwas vor seinem Blickfeld. Er erkannte Cristobal, den der Wind herumschleuderte und der mit all seiner Kraft versuchte, vor Viktors Gesicht in der Luft stehenzubleiben. Seine blauen und grünen und rosa Federn bildeten solch einen krassen Kontrast zum Weiß, dass die Farben Viktor in den Augen wehtaten.
Er schloss die Augen wieder, denn sie tränten so stark und brannten so sehr, dass es ihm vorkam, als ob sie schmelzen würden.
„Viktor, steh auf! Steh auf, sonst stirbst du! Aufstehen!“, hörte er Cristobal von weitem schreien.
Er öffnete wieder die Augen und Cristobal war vor seinem Gesicht und flatterte hin und her. Er schrie ihm etwas zu, aber Viktor verstand die Wörter nicht. Der Wind schien Cristobals Wörter zu nehmen und sie wegzuschleudern.
„Aufstehen!“, glaubte er zu hören.
Er hob sich und versuchte aufzustehen, aber der Wind drückte ihn nieder.
„Viktor, steh auf!“ Cristobal war nun seitlich von seinem Kopf und schrie ihm ins Ohr: „Bitte bitte bitte steh auf !“
Viktor bemühte sich wieder, drückte seinen Oberkörper gegen den Wind und setzte sich auf. Er schloss wieder die Augen und rieb mit den Fäusten daran. Der Wind brannte so sehr. Auch seine Haut fühlte sich an, als ob ganz viele kleine Nadeln immer und immer wieder auf ihn einstachen.
„Ja, gut! Sehr gut! Aufstehen! Vikto r, steh ganz auf. Wir müssen dahin gehen!“ Cristobal zeigte mit einem
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