Beuterausch
engen Freunde, wollte nie welche haben, hat ihnen nie getraut. Er vertraut Belle und seinen Kindern, und das war’s. Mehr braucht er nicht.
Er hat die Frage, warum er dies tut, von allen Seiten durchdacht und keine Antwort gefunden, außer dass er es will. Er weiß, es ist gefährlich, ganz abgesehen davon, dass sie rein körperlich eine verdammte Bestie ist, könnte er vermutlich ein Dutzend oder mehr Gesetze aufzählen, gegen die er verstößt, und seine einzige Rechtfertigung dafür, sie alle diesem Risiko auszusetzen, ist, dass er herausfinden will, wie sein kleines Experiment ausgeht. Genau wie seine fröhliche, liebe Säuferin von einer Mutter Chris als ihr eigenes kleines Experiment bezeichnete, womit sie sagen wollte, klar, sie hatte ein Kind, aber sie würde niemals freiwillig ein weiteres auf die Welt bringen.
Doch er sieht das Wilde in ihr, und es zieht ihn an, reizt seinen Schwanz und seinen Kopf, das ist ihm bewusst, und er will sie unbedingt zähmen, er will wissen, ob es möglich ist. Sich selbst hat er weiß Gott gezähmt. Und wenn es bei ihm als Kind gelang, warum nicht bei ihr? Wenn er den Willen und die Kraft hatte, sich selbst zu brechen, wie man ein verrücktes Wildpferd bricht, sollte er dazu fähig sein, dasselbe auch mit ihr zu tun.
Vielleicht hat er hier eine Art Schwester im Geiste vor sich, vielleicht ist es das.
Möglicherweise sieht er etwas in ihr, das er auch in sich selbst sieht – nur klarer in den Absichten, schärfer in der aggressiven Ausführung. Er liebt seine eigenen Aggressionen. Sie haben ihn zu dem gemacht, was er heute ist.
Vielleicht tut er das, weil er sich selbst liebt. Sein wahres Selbst. Das ungeschminkte Selbst.
Das wäre möglich.
Er hämmert den Bolzen bis zum Anschlag hinein.
17
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Und da waren sie wieder wie jeden Tag, all diese dämlichen hormongesteuerten kaugummikauenden pubertären Mädchen mit ihren engen Jeans und straffen Hintern, und verließen ihren Klassenraum mit Seitenblicken zu den Jungen – und ehrlich gesagt wünschte sie, sie hätte damals so ausgesehen wie einige von ihnen, aber es hatte sie vier Jahre Aerobic und Yoga und Fat Burning und strenge Diät gekostet, um so zu werden, wie sie heute war. Was zugegebenermaßen ganz gut war. Aber trotzdem …
Da waren sie, all diese Mädchen. Und da war Peggy Cleek. Schon wieder in verblichenem Kapuzenpulli und Jogginghose. Die Haltung völlig ruiniert wie bei einer Neuntklässlerin, die ihre knospenden Brüste zu verbergen versucht, weil sie noch nicht begriffen hat, welchen Wert sie für sie darstellen.
Sie versteckte sich.
Plötzlich überkam es sie wie eine Erleuchtung. Sie kannte die Funktionsweise ihres eigenen Gehirns gut genug, um zu vermuten, dass sich dort schon seit einer ganzen Weile etwas formte, eine beklemmende Ahnung. Aber jetzt war es da.
»Kann ich dich mal kurz sprechen, Peg?«
»Ich möchte nicht zu spät zur nächsten Stunde kommen, Miss Raton.«
»Ich schreibe dir einen Zettel. Setz dich eine Sekunde, ja?«
Sie seufzte und setzte sich mit hängenden Schultern hin. Als wollte sie sich in sich selbst verkriechen, dachte Genevieve. Sie setzte sich an das Pult vor ihr, mit der Stuhllehne zwischen den gespreizten Beinen, um Peggy ansehen zu können. Sie betrachtete einen Moment das Gesicht des Mädchens und bemerkte etwas.
Sie erinnert mich ein wenig an Dorothy Burgess. Meine Erste.
Es war traurig, wie das geendet hatte.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie.
»Mir geht’s gut. Warum?«
Genevieve lächelte, um sie zu beruhigen. Das Mädchen war angespannt wie eine Gitarrensaite.
»Warum ziehst du in letzter Zeit solche Sachen an?«
Sie zuckte die Achseln.
»Entschuldigung, Peggy. Aber Mädchen in deinem Alter verhüllen sich nur so, wenn sie etwas zu verbergen haben. Vor Kurzem hast du das noch nicht getan.«
»Ich versteh nicht, was Sie meinen, Miss Raton.«
»Übelkeit. Weite Klamotten. Mrs. Jennings hat mir erzählt, dass du seit Wochen schon nicht mehr beim Sportunterricht mitmachst. Peg, ich bin nicht blöd.«
Obwohl sie das gewesen war, weil sie es nicht früher kapiert hatte. Und weil sie nicht mit dieser Reaktion gerechnet hatte.
Sie hatte eine abwehrende Haltung erwartet. Stattdessen schlug ihr pure Feindseligkeit entgegen.
»Warum kümmern Sie sich nicht um Ihre eigenen Angelegenheiten, Miss Raton!«
Also gut. Sie ließ sich davon nicht aus der Spur bringen.
»Du bist meine Angelegenheit«, sagte sie. »Du bist meine Schülerin. Und du hast immer zu
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