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Beuterausch

Beuterausch

Titel: Beuterausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucky Jack & McKee Ketchum
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angekettet im Vorratskeller versteckt hatte, angeblich um sie zu »zivilisieren«, doch in Wahrheit, um sie zu quälen und zu missbrauchen. Eine Neigung, die er an seinen Sohn weitergegeben hatte, der sich genauso verhielt.
    Wie er Peg nachts vergewaltigt hatte. Ihr ein Kind gemacht hatte, Adam, der nun mit Pegs kleiner Schwester Darleen auf dem Erdboden der Höhle hockte und aus dem Lehm Formen knetete. Wie er sie gezwungen hatte, ihre Schwangerschaft zu verbergen, und wie ihre Mutter dem bereitwillig zugestimmt hatte.
    Wie er Augenhöhle fast zehn Jahre lang in den Hundezwinger gesperrt hatte.
    Ich sagte wenig zu alledem. Ich suchte nach einem Weg, sie zu beeinflussen. Nach irgendeiner Spur von Mitgefühl oder Sympathie, die sie dazu bringen würde, mich zu befreien. Ich begriff sofort, dass sie meine einzige Chance war. Doch ich konnte mir kein Bild von ihr machen. Was zum Teufel tat sie hier?
    Ein Blick auf die Frau verriet einem, dass sie sehr viel Erfahrung in diesen Dingen hatte. Die Narben, die langen starken Muskeln. Das harte Gesicht. Die argwöhnischen, wachsamen Augen. Und dann diese seltsame kehlige Sprache. Ich hatte sie noch kein Wort Englisch sprechen hören – erst später hörte ich sie ein paar Worte oder Sätze sagen. All das machte sie eindeutig fremdartig. Als würde sie einer neuen Spezies angehören.
    Oder einer sehr alten. Einer prähistorischen.
    Peg hingegen war ein anderer Fall. Ich hatte gesehen, wie sie tötete, und ich hatte gesehen, wie sie meine Freunde schlachtete, alles, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber ich hatte auch gesehen, wie sie sich bückte, damit ihre kleine Schwester sie küssen und umarmen konnte. Ich hatte gesehen, wie sie Adam auf den Arm nahm und ihn in die Luft warf, bis er kicherte und begeistert mit den Händen wedelte – wie jede andere Mutter auch.
    Sie hatte höflich mit mir gesprochen. Sie begegnete mir in keiner Weise unfreundlich. Es war schwer zu glauben, dass sie ihre eigenen Leute so weit hinter sich gelassen hatte, dass sie es an diesem Ort hier ertragen konnte.
    Sie war die einzige Karte, mit der ich das Spiel eröffnen konnte. Also fragte ich sie.
    Warum?
    »Sieh sie dir an«, sagte sie. »Sieh sie dir mal richtig an. Sie ist großartig. Sie ist einzigartig. Sie ist frei. Sie kann sie selbst sein, nach ihren eigenen Maßstäben. Frei von allen Zwängen. Du wirst es nicht glauben, aber sie kann sehr freundlich sein. Wenn sie es will. Und das ist das Entscheidende. Wenn sie es will. Es gibt keinen falschen, zivilisierten Verhaltenskodex, dem sie folgen muss. Keine künstliche Höflichkeit, keine Ausflüchte. Keine Lügen. Ich glaube, sie kann überhaupt nicht lügen. Sie ist mutig, loyal, großzügig und stark. Sie ist so, wie ich sein will.
    Ich habe das erst in der Nacht begriffen, als mein Vater meine Lehrerin ermordet hat, die nur zu unserem Haus gekommen war, um offen mit meinen Eltern über meine Schwangerschaft zu reden. Meine Lehrerin, die auch viele dieser Eigenschaften hatte. Mut, Loyalität, Großzügigkeit. Nur Macht besaß sie nicht.«
    Ich wollte sagen: Diese Frau ermordet Menschen. Sie schlachtet und isst sie, verdammt noch mal!
    Doch ich war klug genug, den Mund zu halten.
    »Sie werden nach mir suchen«, sagte ich.
    Peg nagte an einem Knochen und nickte.
    »Sie suchen schon nach dir«, sagte sie. »Vorgestern haben wir sie gesehen. Ein halbes Dutzend Polizisten, zwei Kilometer weiter unten am Strand. So gegen Mittag. Aber sie werden aufgeben.«
    »Warum meinst du das?«
    »Ich kenne die Strömung hier. Die Kleidung deiner Freunde und deine Manuskripte sind mittlerweile acht bis zehn Kilometer weit weg, wahrscheinlich in tiefem Wasser. Und der Strand selbst? Sand gibt nicht viele Geheimnisse preis. Bist du sicher, dass du nichts essen willst?«
    Ich hungerte drei Tage lang.
    Sie brachten mir Wasser, wenn ich darum bat, aber sonst nichts, außer dem Fleisch, das ich verweigerte und bei dessen Anblick oder Geruch, wenn sie es kochten, sich mir der Magen umdrehte. Meistens brachte es mir Darleen.
    Doch sie redete nie mit mir. Nicht einmal, wenn ich ihr eine direkte Frage stellte.
    Ich wusste, dass sie sprechen konnte. Sie redete mit Peg und ihrem kleinen Neffen. Sogar mit der Frau. Oft in der Sprache der Frau.
    Ich fragte Peg, warum sie nicht mit mir sprach.
    »Weil du ein Mann bist«, sagte sie. »Sie zeigt es vielleicht nicht so deutlich, aber du machst ihr Angst, sie traut dir nicht. Sie hat Schreckliches durchgemacht in der Nacht, als

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