Beuteschema: Thriller (German Edition)
war eine der begehrtesten in Manhattan, mit einer prachtvollen Marmorlobby, bei der sich Claire fragte, wie es Curtin fertigbrachte, aus einem Berufsleben, das dem Studium der Verbrecherseele gewidmet war, so viel Reichtum und Luxus zu schöpfen.
Sie wusste, dass ihr Mentor, anders als viele Medizinprofessoren, in keinen Aufsichtsräten von Pharmakonzernen saß, obwohl es zahlreiche Einladungen dazu gegeben hatte. Er ging allem, was nur den Anschein eines Interessenskonflikts haben konnte, konsequent aus dem Weg. » Ich kann das Risiko nicht eingehen, dass es mir irgendein › Tugendbold‹ von Verteidiger vorhält, wenn ich für die Staatsanwaltschaft aussage«, pflegte er potenziellen Bittstellern stets zu antworten.
Sie gingen zum Empfang, wo der Portier, ein gepflegter Schwarzer in den Dreißigern, sie musterte. » Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
» Claire Waters und Nick Lawler. Wir sind hier, um Mr. Larciano zu sprechen«, sagte Claire und verwendete das Pseudonym, das Curtin seinen Besuchern immer nannte. » Sie können nie wissen, wann es einem Patienten einfällt, einen überraschenden Hausbesuch zu machen«, warnte er seine Studenten; er räumte damit ein, dass ihre Profession nichts für furchtsame Gemüter war und durchaus ein Element der Gefahr enthielt, und er legte ihnen ans Herz, ihre Privatsphäre und ihre Familien um jeden Preis zu schützen. Claires Vorgänger im Forschungsstipendium hatten ihr erzählt, dass diese Warnung gegen Ende des Programms kam, wenn Curtin eher zur Vaterfigur wurde und weniger als Zuchtmeister seiner Herde fungierte.
Zu schade, dass er uns nicht gleich zu Beginn gewarnt hat, dachte Claire. Vielleicht hätte mich Quimby dann damals in der Nacht nicht angerufen und nicht gewusst, wo ich wohne.
» Er erwartet Sie«, sagte der Portier, ohne auch nur in seine Liste zu schauen. » Wohnung 5A. Den rechten Flur entlang, der Aufzug befindet sich links.«
Claire folgte Nick den Korridor entlang. Dann fuhren sie in dem winzigen Aufzug in den fünften Stock hinauf und traten auf einen geräumigen Treppenabsatz hinaus mit je einer Tür rechts und links.
» Wow, so etwas kann man sich als Psychiater leisten?«, fragte Nick.
Claire drückte auf den Klingelknopf. » Er hat außerdem eine Menge Bücher verkauft«, sagte sie, als erklärte es das. » Glauben Sie mir, wir leben nicht alle auf so großem Fuß.«
Sie hörte, wie das Schloss geöffnet wurde. Die Tür ging auf, und Curtin stand in einem blauen Morgenmantel aus Seide vor ihnen, der mindestens zwei Nummern zu groß aussah. Claire gab sich alle Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, ihn sogar anzulächeln, aber sie war schockiert.
Der Paul Curtin, der vor ihr stand, war nur noch ein Schatten des Mannes, den sie vor Wochen zuletzt gesehen hatte. » Danke, dass Sie uns empfangen«, brachte sie heraus.
» Claire, Detective Lawler. Bitte kommen Sie herein«, sagte er mit heiserer Stimme.
Sie betraten die geräumige Wohnung, und Claire musterte ihren Mentor gründlich. Der einst fitte Triathlet bewegte sich steif, als wäre er plötzlich von fürchterlicher Arthritis befallen. Sein sonst gepflegtes, welliges Silberhaar war ungekämmt und stumpf, und das Gesicht ein Wald von Stoppeln. Die Grippe hatte ihm eindeutig schwer zugesetzt.
» Geht es Ihnen schon besser?«, fragte Nick.
» Ja, danke, trotz meines Aussehens– und ich weiß Ihre Höflichkeit zu schätzen«, sagte er und führte sie in ein mit Ahornholz getäfeltes Wohnzimmer. Er sah Claire an. » Es geht mir tatsächlich besser. Doch leider stellt sich heraus, dass ich Pfeiffersches Drüsenfieber habe.« Er setzte sich auf eine dunkelblaue Couch, die zwei schaumgrünen Polstersesseln gegenüberstand. Claire erkannte, dass das Zimmer in den Farben des Ozeans dekoriert war. » Stellen Sie sich vor«, sagte Curtin. » Ein Mann meines Alters bekommt eine Krankheit, die wir typischerweise bei jungen Menschen sehen.«
» Sie müssen das falsche Mädchen geküsst haben«, sagte Nick und brachte ein Lächeln zustande.
» Schön wär’s«, sagte Curtin. » Aber man holt es sich nicht nur über Küsse, man kann es auch von einem Trinkbrunnen oder in meinem Fall wahrscheinlich von nicht ganz sauberem Besteck in der Cafeteria bekommen.«
» Ich werde es mir merken«, sagte Nick.
» Sie sollten viel ruhen«, sagte Claire zu Curtin. » Wir bleiben nicht lange.«
» Danke, Doktor«, sagte Curtin. » Ich weiß den Rat zu schätzen.« Er lehnte sich in die Couch zurück,
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