Beuteschema: Thriller (German Edition)
erkennen, wo er sie von der Promenade gezerrt hat?«
» Nein, weil der Täter seine Spuren im Sand verwischt hat.«
» Zeigen Sie mir, wo«, forderte Nick ihn auf.
Aitken führte ihn einige Meter nach Osten und deutete auf eine Stelle im Sand. » Die Spuren fingen etwa hier an«, erklärte er, » und hörten bei der Leiche auf.« Er hielt seine Digitalkamera in die Höhe. » Ich habe alles hier drauf.«
Zum Glück, dachte Nick und sah auf die Unmenge von Schuhabdrücken hinunter, die zweifellos von Polizisten hinterlassen worden war, nachdem Aitken fertig gewesen war. » Er war barfuß, meinen Sie nicht? Damit er keinen Schuhabdruck hinterließ.«
» Das erklärt auch, warum die Wischspuren so glatt sind. Schuhe hätten eine schärfere Kante hinterlassen«, stimmte Aitken zu.
Nick wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Videokamera zu. Er schwenkte langsam an der Promenade entlang, dort, wo laut Aitken die Wischspuren begonnen hatten. Und sah, was er erwartet hatte.
» Haben Sie eine Taschenlampe?«, fragte er Aitken.
» Natürlich.« Er gab Nick seine Maglite. » Was haben Sie gefunden?«
Nick schaltete das Licht an und richtete es auf die Planken der Promenade, genau unter dem Geländer. Man sah mehrere saubere Stellen auf dem ansonsten schmutzigen Holz.
» Dort hat er sie mit der Säure attackiert«, sagte Nick. » Etwas davon ist heruntergetropft, als er sie aus der Flasche spritzte, und hat das Holz sauber geätzt.« Er wandte sich an Aitken. » Können Sie die Stücke ausschneiden?«
» Schon dabei«, sagte Aitken und eilte davon.
Nun schwenkte Nick von der Promenade zur Zyklon-Achterbahn und wieder zurück, während Wilkes zusah.
» An einem Abend wie heute müssen, selbst wenn nicht viel los war, Dutzende von Leuten hier draußen gewesen sein«, sagte er. » Wenn dieser Kerl einer Frau Säure ins Gesicht gespritzt hat, wird sie sicherlich geschrien haben.«
Nick schwenkte zurück zu dem am nächsten gelegenen Gefällestück der Achterbahn, wo er einen Waggon voller Fahrgäste im Fadenkreuz der Kamera herunterkommen sah.
» Wenn er gewartet hat, bis die Achterbahn vorbeikommt, kann sie geschrien haben so viel sie wollte, und niemand hätte sie gehört«, überlegte Nick.
Wie um sein Argument zu unterstreichen, sauste in diesem Moment unter dem Rattern von Rädern und Getrieben und den Angst- und Freudeschreien der Passagiere der Waggon vorbei.
5
Das Telefon läutete zum fünften Mal, als Claire die kleine Nachttischlampe anschaltete. Ein Streifen Licht fiel quer durch das karg möblierte Schlafzimmer, das kaum groß genug für ein Doppelbett und eine zerkratzte Ahornkommode war, die Claire bei einem Trödler gekauft hatte. Sie fischte den Hörer von der Gabel und schlug ihn sich an die Stirn, ehe sie ihn benommen zum Ohr bewegte.
» Hallo?«, sagte sie verschlafen und sah auf die Uhr: 2.23 Uhr.
» Klare Wasser sind tief«, ertönte eine hellwache, männliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
Claire erkannte sie und setzte sich auf.
» Der Spruch heißt: › Stille Wasser sind tief‹, Mr. Quimby, und woher haben Sie diese Nummer?«
» Sie würden sich wundern, was man im Internet alles über Leute herausfinden kann«, erwiderte Quimby, und sein Tonfall ließ sie frösteln.
» Was wollen Sie?«, fragte sie, und aus ihrer eigenen Stimme klang Verärgerung. Seit Quimbys Entlassung aus Rikers Island waren erst drei Tage vergangen, und schlaftrunken wie sie war, dachte Claire, dass er erst nächste Woche für einen Termin fällig war.
» Ich muss Sie treffen«, sagte Quimby.
» Stimmt etwas nicht?«
» Ich habe wieder Angst.«
» Sie klingen nicht, als hätten Sie Angst«, erwiderte Claire, » und Sie sollten mich nicht zu Hause anrufen.«
» Ich brauche Ihre Hilfe. Sofort. Bitte«, flehte er.
Das Drängende in seiner Stimme stimmte Claire milder und erinnerte sie daran, wie verletzlich er während ihres Gesprächs vor einer Woche gewesen war.
» Gehen Sie in die Notaufnahme des Manhattan City Hospital«, sagte sie. » Der Psychiater vom Dienst wird sich um Sie kümmern.«
» Du kannst ihn nicht beim Notdienst abladen«, vernahm sie nun eine verschlafene männliche Stimme neben sich.
Die Stimme gehörte Ian Bigelow, Claires dreißigjährigem Freund, der selbst aus dem Schlaf geschreckt noch so gut aussah, dass Dr. Curtin auf einem Plakat für sein Stipendium mit ihm werben könnte. Sie hatten bei Tante Louise, ihrem französischen Lieblingsbistro, zu Abend gegessen und eine Flasche
Weitere Kostenlose Bücher