Beuteschema: Thriller (German Edition)
dass sie sich die Hand an der brühend heißen Kaffeetasse verbrannte. Sie stellte die Tasse ab, holte schnell ihre Aktentasche und wühlte darin herum, bis sie gefunden hatte, was sie suchte– das Foto von Sara Belz, die damalige Gespielin von Quimbys Vater.
Sie hielt das Bild neben das Foto von Catherine Mills, das immer noch auf dem Fernsehschirm zu sehen war.
Die beiden hätten Zwillinge sein können.
Quimby hatte ihr vor gerade einer Stunde seine Begegnung mit einer Prostituierten am Times Square gestanden, die Sara Belz ähnlich sah. Es lief ihr eiskalt über den Rücken, als sie an seine Worte dachte: Mein Dad würde noch leben, wenn ich als Kind diese dreckige Hure Sara getötet hätte. Meine Mom hätte nicht weggehen müssen.
Hatte Quimby seinen Wunsch wahr gemacht? War er zum Times Square zurückgekehrt, hatte Catherine Mills gefunden und sie ermordet? Oder hatte er sie bereits ermordet gehabt, als er mit Claire sprechen wollte, hatte beabsichtigt, es ihr zu gestehen und war dann doch in letzter Sekunde davor zurückgeschreckt, seine äußerste Sünde zu beichten?
So oder so, Claire wusste, sie musste sich der unausweichlichen Wahrheit stellen: Sie, Dr. Claire Waters, hatte die Warnsignale bei ihrem letzten Gespräch mit ihrem allerersten kriminellen Patienten, Todd Quimby, übersehen. Und wegen ihr war jetzt eine Frau tot. Weil sie einen Mörder in die Gesellschaft zurückgelassen hatte.
Wenn er wirklich der Mörder ist. Ehe sie sich nicht hundertprozentig sicher war, durfte sie die ärztliche Schweigepflicht nicht verletzen und die Polizei rufen.
Sie sah auf die Uhr. In etwas mehr als acht Stunden würde sie Todd Quimby gegenübertreten müssen. Sie würde ihn mit der Frage konfrontieren müssen, ob er Catherine Mills getötet hatte. Sie würde die Wahrheit aus ihm herausbekommen müssen. Und sie wusste, dass Quimby keinen guten Grund hatte, ihr die Wahrheit zu sagen.
Und dann hatte sie plötzlich eine Idee. Es war extrem, kein Zweifel. Aber sie musste etwas Dramatisches tun, als Wiedergutmachung dafür, dass sie bei ihrem ersten Gespräch mit Quimby so erstarrt war.
Sie eilte vor den Spiegel, betrachtete ihr Spiegelbild und dachte daran, wie Curtin und Fairborn ihre Fähigkeiten in Zweifel gezogen hatten. Sie würde ihnen zeigen, wie ernst sie es meinte.
Quimby sah nicht einmal auf, als Claire den schwach beleuchteten Sitzungsraum betrat, in dem die Stipendiaten ihre Patienten empfingen.
» Ich habe keinen Schlaf abbekommen«, murmelte er, den Kopf in den verschränkten Armen auf dem Tisch vergraben.
» Setzen Sie sich auf. Sofort«, kommandierte Claire.
Ihr scharfer Ton ließ Quimby ruckartig den Kopf heben. Er sah sie verblüfft an. Dann wandte er sich ebenso schnell wieder ab und biss sich auf die Unterlippe.
» Was ist Ihr Problem?«, fragte Claire, zog den weißen Labormantel aus und warf ihn über den Stuhl auf der anderen Tischseite.
» Ich habe kein Problem«, sagte Quimby und wich ihrem Blick aus.
Claire ging um den Tisch herum, sodass Quimby nicht anders konnte, als sie anzusehen.
» Blödsinn.«
» Was ist los mit Ihnen?«, sagte Quimby, der allmählich die Fassung verlor.
» Das sollte ich wohl eher Sie fragen«, stellte Claire fest.
Quimby tat alles, was in seiner Macht stand, um sie nicht anzusehen. » Ich will heute nicht reden.«
» Dann muss ich Sie zur Beobachtung einweisen.«
» Warum haben Sie das getan?«, entfuhr es ihm.
» Was getan?«, fragte sie unschuldig.
Aber Claire wusste genau, was er meinte, und blickte in den Einwegspiegel.
Ihr neues Ich. In den Stunden, bevor sie ins Krankenhaus gekommen war, hatte sie sich das Haar kurz geschnitten und blond gefärbt. Sie trug ein schwarzes, eng anliegendes Kleid, das ihre üppigen Brüste und den gerade richtigen Ausschnitt betonte.
Claire Waters war zu Catherine Mills und Sara Belz geworden.
Und Todd Quimby ertrug es nicht. Was genau das war, was sie beabsichtigt hatte.
» Was getan?«, wiederholte sie.
» Sie wissen, was ich meine.«
Sie sprach zu seinem Bild im Spiegel, in dem sie auch sich selbst sah. » Ach, Sie meinen das?«, fragte sie. » Ich habe gesehen, wie mein Freund Blondinen anschaut. Ich dachte, vielleicht beachtet er mich mehr, wenn ich selbst zu einer werde.«
» Machen Sie sich über mich lustig?«, fragte Quimby, der jetzt wütend war.
Aber Claire ließ sich nicht einschüchtern. » Wie kommen Sie darauf, dass ich mich über Sie lustig mache?«
» Fahren Sie zum Teufel«, sagte er.
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