Beuteschema: Thriller (German Edition)
die Betonkorridore von Rikers Island gegangen war. Das war noch nicht einmal einen Monat her, aber Claire erschien es wie ein ganzes Jahrzehnt.
Statt furchtsam und eingeschüchtert wie damals schritt sie nun jedoch zielbewusst und voller Zuversicht neben Detective Nick Lawler, überzeugt, dass sie mit seiner Hilfe sowohl ihre Freundin Amy Danforth– oder deren sterbliche Überreste– als auch Mr. Winslow finden würden, den Mann, der Amy vor all diesen Jahren aus Claires Einfahrt entführt hatte.
Nick hatte angeboten, einige Tage zu bleiben, um Claire zu helfen, und sie hatte sofort angenommen und ihn eingeladen, im Gästezimmer ihrer Eltern zu übernachten. Claire dachte, sie sollten mit einer Tour zu den Orten anfangen, die sie als Kind mit Amy zusammen besucht hatte, weil sie glaubte, es könnte eine Erinnerung an einen Ort auslösen, wo sie Winslow gesehen hatte. Aber Nick bestand darauf, dass es nur einen Ort gab, wo sie beginnen konnten: die Akte des Falls– und das hieß, sie mussten mit dem Morddezernat der Polizei von Rochester Kontakt aufnehmen. Claires Eltern waren in Rochesters politischen Kreisen gut vernetzt, und sie schlug vor, ihren Einfluss zu nutzen, um die Kooperation des Polizeichefs sicherzustellen. Worauf Nick erwiderte, dass er zur Polizei von Rochester bessere Verbindungen hatte, als ihre Eltern jemals haben konnten.
Was sich in dem Augenblick bewies, als er und Claire nun um eine Ecke bogen. Ein hochgewachsener, durchtrainierter Mann mit silberner Haarpracht, der in Hemdsärmeln war und eine Krawatte trug, wartete an einer Tür. Als er Nick sah, breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht aus. Nick konnte nicht anders, als ebenfalls zu grinsen.
» Ich wusste, das Zeug über deine Frau war Quatsch«, sagte er, schlug Nick auf die Schulter und umarmte ihn innig. » Schön, dich zu sehen.«
» Sie beiden kennen sich?«, fragte Claire ungläubig.
» Detective Allan Hart, Dr. Claire Waters«, stellte Nick sie einander vor.
» Ich habe alles über Sie gelesen«, sagte Hart, als sie sich die Hände schüttelten. » In dem Fallordner, meine ich. Sie sehen immer noch aus wie auf dem Bild.«
» Als das Bild aufgenommen wurde, war ich acht«, sagte Claire und erwiderte sein ungezwungenes Lächeln. » Ich fasse es mal als Kompliment auf, Detective.«
» Meine Freunde nennen mich Al«, sagte Hart und öffnete die Tür, neben der er gestanden hatte. » Und Freunde von Nick sind auch meine Freunde. Folgen Sie mir.«
Hart führte sie in das Büro des Morddezernats, wo sechs Detectives, vier Männer und zwei Frauen, jeweils für sich an üblichen Behördenschreibtischen arbeiteten– bis sie Nick erblickten, woraufhin sie sich erhoben und ihm stehend applaudierten.
Claire sah Nick an. » Was hat es damit auf sich, dass Sie hier wie ein Held begrüßt werden?«
» Ach, ich habe ihnen vor Jahren bei einem Fall geholfen«, druckste Nick herum.
» Muss ja ein Wahnsinnsfall gewesen sein«, sagte Claire und schüttelte den Kopf, während die anderen Detectives kamen, um Nick zu begrüßen, und ihn zur Seite zogen.
» Das war es«, sagte Hart und erzählte ihr die Geschichte. Zwei Jahre zuvor waren drei Brüder, die im Keller ihres Hauses in dem von hoher Kriminalität geplagten 19th Ward von Rochester eine Heroinproduktion betrieben, von einem Duo professioneller Killer mit Uzis niedergemäht worden. Die Männer wären vielleicht unbehelligt davongekommen, hätte nicht ein ziviles Polizeifahrzeug genau im falschen Moment das Haus passiert. Der Polizeianfänger Evan Springer, der allein im Wagen saß, hörte das Feuer der Automatikwaffen. Als früherer Marinescharfschütze im Irak hielt Springer an, stieg aus und postierte sich hinter seinem Wagen, als die beiden Schützen aus dem Haus stürmten. Er traf beide mit einem Kopfschuss, buchstäblich bevor sie wussten, wie ihnen geschah. Unglücklicherweise ging eine der Kugeln, die sie in ihrem Todestanz verschossen, an den Laternenmast hinter dem Polizeiauto und von dort in Springers Hinterkopf. Er war sofort tot.
Der letzte Polizist war 1959 in Rochester erschossen worden, als Hart noch in den Windeln lag, und der Detective hatte nicht die Absicht, den Tod von Officer Springer unter seiner Verantwortung ungesühnt bleiben zu lassen. Wer immer den Auftrag zur Ermordung der drei Brüder gegeben hatte, war an der Tötung Springers so schuldig wie die angeheuerten Killer, und Hart schwor sich, den Schweinehund zu finden.
Ein Schlüsselbund in einer
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