Beutewelt 03 - Organisierte Wut
halte ihn auch für clever und er ist mutig, aber für einen Umsturz braucht es immer einen Paukenschlag. Falls du weißt, was ich meine?“
„Nein!“, stockte Sven.
„Es muss ein Ruck durch die Masse der Leute gehen. Ein Ereignis, das sie sehr aufregt und wachrüttelt. Eine Sache, die den Unmut zum Überlaufen bringt – eine neue Steuererhöhung oder was weiß ich!“
„Aber Millionen Menschen geht es doch schon sauschlecht. Sie haben kaum noch Globes in der Tasche. Ich war mit den anderen vor einem Monat in Minsk. Die Stadt verrottet. Tausende von Bettlern füllen die Straßen. Viele hungern nur noch vor sich hin …“, erklärte Sven verdutzt.
„Ja, und doch haben sie nicht den Mut sich zu wehren, weil sie sich denken, dass sie allein sowieso nichts tun können. Außerdem geht es einigen doch noch so gut, dass sie halbwegs leben können. Glaube mir, es muss erst zu diesem Paukenschlag kommen. Vermutlich ist die Zeit noch nicht reif“, sagte Kohlhaas.
Sven knurrte: „Vielleicht hast du Recht. Aber wir müssen bis dahin die Leute durch unsere Aktivitäten geistig vorbereiten. Wir müssen ihnen Hoffnung geben – und diese Hoffnung muss Artur Tschistokjow heißen!“
„Gut gesprochen, mein Freund. Er scheint also auch deine Hoffnung zu sein“, scherzte Frank und musterte eine angefaulte Kartoffel.
„Ja, das ist er!“
„Wie geht es dir denn sonst so? Hast du deine Depressionen jetzt besser im Griff?“, wollte Frank wissen und bohrte seine Worte in Svens wunden Punkt.
Der junge Mann zögerte und verzog seinen Mund. Er sah aus, als hätte ihm jemand einfach die Hälfte seiner Gesichtshaut abgezogen. Sein verbliebenes Auge drehte sich Frank zu und starrte ihn an.
„Naja, sieh mich doch an. Ich bin ein halber Krüppel, aber ich versuche mich damit abzufinden. Ich habe nicht in Japan gekämpft, dort mit zum Sieg beigetragen und mir den Arsch wegsprengen lassen, um jetzt nichts mehr zu tun. Was habe ich auch noch zu verlieren?“, gab Sven mit trauriger Miene zurück.
„Ach, Junge! Die einen haben ihre Wunden offen sichtbar, die anderen haben eine verkrüppelte Seele – so wie ich. Du wirst das schon packen. Komm doch die Tage mal bei uns vorbei, dann trinken wir einen.“
„Klar, können wir machen, Alter“, erwiderte Sven und lächelte.
Frank klopfte dem Burschen auf die Schulter und brachte einen Sack Kartoffeln in den Lagerraum hinter dem Haus der Westermanns.
Für Anfang September hatten die Rebellen um Artur Tschistokjow eine Großveranstaltung im Nordwesten Weißrusslands geplant. Als Ort hatten sie sich ein kaum noch bewohntes Dorf in der Nähe von Maladziekna ausgesucht und hofften darauf, dass die Polizei sie nicht allzu sehr störte.
Herr Wilden war aufgeregt und versuchte erneut möglichst viele Mitglieder der Dorfgemeinschaft zu überreden, mit zu der Versammlung zu kommen.
Die jungen Männer in Ivas waren zum größten Teil Feuer und Flamme für die Sache und sogar ihre Eltern versprachen dem Dorfchef, mit nach Weißrussland zu kommen.
Frank und Alfred waren ihrerseits nach wie vor unsicher, ob sie an der Versammlung teilnehmen sollten. Wildens ständiges Planen, Verabreden, Konspirieren und seine Einbindung der Dorfbewohner in seine mit Artur Tschistokjow aufgestellten Revolutionspläne machten ihnen langsam Sorgen.
„Wenn die Russen hier in Ivas ständig ein und aus gehen, dann bin ich mal gespannt, wann hier die ersten GSA-Agenten rumschnüffeln“, sagte Frank. Bäumer nickte.
„Wilden hat nur noch Tschistokjow und seine Truppe im Kopf. Wenn die Sache in die Hose geht, wird wohl eines Tages auch rauskommen, wer wir sind. Der Name Ivas wird schon in irgendeinem Verhör fallen – das befürchte ich jedenfalls!“
„Sollte das jemals passieren, dann sollten wir uns wünschen, dass wir morgen Revolution haben, auch in Litauen. Sonst wird es hier sehr ungemütlich“, brummte Kohlhaas.
Die beiden Männer gingen ins Wohnzimmer ihres schäbigen Hauses und ließen sich auf der alten, zerfledderten Couch nieder. Alf ließ seinen Laptop hochfahren und begab sich ins Internet.
Er ging auf die Seite der Freiheitsbewegung der Rus und schaute sich die neusten Videos an. Einige russische Aktivisten hatten die Demonstration in Nowopolozk gefilmt und einen eigenen Videobericht verfasst. Über 200000 Zugriffe hatte das Video bereits erhalten.
„Die sind jedenfalls ganz schön aktiv …“, murmelte Bäumer mit einem Anflug von Respekt.
„Hier sprühen sie eine Wand
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