Beutewelt 03 - Organisierte Wut
und drehte sich Alf zu. Bäumer nahm genüsslich einen weiteren Schluck eisgekühlter Limonade zu sich, stimmte wortlos zu und schaute über den Dorfplatz von Ivas.
„Wollte ihr noch eine Baguette?“, hörten sie hinter sich.
„Ja, gerne Steffen“, antwortete Frank.
Die beiden Männer hatten sich im neuen und zugleich einzigen Cafe des Dorfes niedergelassen. Es gehörte Steffen deVries, dem rüstigen Belgier, und war im letzten Monat eröffnet worden. Der leicht dickliche, fröhliche Zeitgenosse hatte einen der alten, leerstehenden Läden im Zentrum des Dorfes zu einem notdürftig eingerichteten Cafe umgewandelt. Daneben befand sich ein anderer Laden, in dem der Flame mit dem rötlichen Bart und den Pausbacken allerlei nützlichen Krimskrams verkaufte.
Steffen reichte Frank einen kleinen Teller mit einem dampfenden Salamibaguette und Kohlhaas riss die Augen erwartungsvoll auf. Dann schlang er das leckere Essen wie eine hungrige Python herunter.
„Bist ‘n richtiger Unternehmer geworden, was?“, gab er laut schmatzend von sich.
„Ja, das mit dem Cafe war ein gut Idee, oder?“, sagte deVries.
„Läuft der Laden denn?“, scherzte Alf.
„Hmmm, die Familie Dreher war heute schon hier. Mit ihre vier Kinder“, gab der Flame zurück und grinste.
„Besser als nichts!“, bemerkte Frank.
„Millionär werde ich nicht, aber ist auch egal“, fügte Steffen hinzu und verschwand wieder.
Franks Blick schweifte über den verwahrlosten Dorfplatz. Zwischen dem Kopfsteinpflaster spross das Unkraut aus allen Ritzen. Die alte Kirche, gegenüber dem Cafe, war in den letzten Jahren noch weiter verfallen und der Gedenkstein in der Mitte des Dorfplatzes war schon wieder mit allerlei Gestrüpp überwuchert.
„Wir sollten hier mal ein wenig aufräumen und das Dorf auf Vordermann bringen“, riet Frank seinem Freund.
„Ja, das müsste man Wilden einmal sagen“, erwiderte Alf.
„Schade, dass die Kirche so zerfällt. Sie ist doch eigentlich ein schönes Gebäude. Vielleicht sollten wir sie wieder ein bisschen herrichten“, schlug Kohlhaas vor.
„Kaum einer in Ivas benötigt eine alte Kirche!“
„Dann machen wir daraus einen schönen Versammlungsraum.“
„Das kannst du ja auf der nächsten Dorfversammlung vorschlagen.“
„Werde ich auch. Es tut mir irgendwie weh, wenn alte Gebäude so vor sich hin verrotten. Das hat die Kirche nicht verdient!“
Bäumer schaute verdutzt. „Du wirst wohl auf einmal sentimental, Alter!“
„Nein, aber ich habe Respekt vor alten Bauwerken“, antwortete Frank mürrisch und fühlte sich missverstanden.
„Sieh mal da!“, Alf deutete plötzlich zum anderen Ende des Dorfplatzes hin. Julia und eine andere Person näherten sich.
Wenige Augenblicke später konnte Frank erkennen, wer da die Hand der hübschen Tochter des Dorfchefs hielt und mit ihr über den Platz schlenderte. Es war Viktor, der gutaussehende Russe aus Grodno.
„Was macht der denn wieder hier?“, knurrte Kohlhaas.
„Das siehst du doch. Er scheint sich in Miss Wilden verguckt zu haben“, gab Alf zurück und beobachtete Franks finsteren Gesichtsausdruck.
„Die beiden sind also zusammen oder was?“
„Geh doch hin und frag sie …“
„Ich habe keine Lust, mit der eingebildeten Ziege und ihrem neuen Schwarm zu reden. Juckt mich auch nicht weiter!“
„Du hast Julia in den letzten Monaten ganz schön links liegen lassen. Vielleicht war das ein Fehler“, bemerkte Bäumer und hob seinen Zeigefinger.
„Wie meinst du das? Ich laufe der Trulla doch nicht hinterher!“, zischte sein Gegenüber und krallte sich an der Tischdecke fest.
„Hättest du vielleicht tun sollen. Frauen sind …“
Frank fuhr seinem Freund ins Wort: „Was sind Frauen? Bescheuert? Ja, da hast du Recht!“
Julia und Viktor gingen an ihnen vorbei und winkten freundlich. Dann verschwanden sie hinter der alten Kirche. Kohlhaas rief Steffen deVries zu sich und ließ sich den Preis für drei Baguettes und zwei Gläser Limonade von seinem gefälschten Scanchip abbuchen. Alf zahlte jetzt auch und ging seinem eingeschnappten Freund hinterher. Selbst die wohlig warme Augustsonne konnte Frank jetzt nicht mehr aufheitern.
In den nächsten Tagen beschlossen Kohlhaas und Bäumer sich noch stärker in Artur Tschistokjows Freiheitsbewegung zu engagieren. Sie versprachen Wilden, von nun an bei sämtlichen Aktionen und Protestmärschen dabei zu sein.
Weiterhin unterbreitete Frank dem Dorfchef den Vorschlag, die Kirche zu renovieren und
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