Beutewelt 03 - Organisierte Wut
neuen, revolutionären Weißrussland versprochen hatte, vor.
„Na, herzlichen Glückwunsch!“, vernahm Frank von der Seite.
Bäumer schien sich, wenn man seinen Gesichtsausdruck richtig interpretierte, in dieser illustren Runde von Revolutionären wie das fünfte Rad am Wagen zu fühlen. Frank war das sichtlich unangenehm. Trotzdem war er stolz darauf, so ein Angebot bekommen zu haben.
„Wenn es hier jemals eine Revolution geben sollte, dann besorge ich dir auch eine wichtige Position“, beschwichtigte Kohlhaas seinen besten Freund.
„Ja, ja, mach du mal, großer Meister“, brummelte Bäumer und wandte sich ab.
„Wolltest du Artur nicht fragen …?“
Alf fuhr seinem Freund unwirsch ins Wort: „Nein! Vergiss es!“
Nach einer Stunde verabschiedeten sie sich wieder von den Russen und machten sich auf den Heimweg nach Ivas. Frank dachte über die Zukunft nach, während Alf schmollend aus dem Fenster starrte und Wilden den ihm ausgelieferten Mitfahrern in allen Details seine ersten Maßnahmen als „theoretischer Außenminister“ des neuen Weißrussland erläuterte.
Man sah dem Dorfchef die grenzenlose Begeisterung aufgrund des Angebotes von Artur Tschistokjow deutlich an. Frank selbst fühlte sich ebenfalls geschmeichelt, allerdings war er bezüglich des politischen Erfolges der Freiheitsbewegung keineswegs so zuversichtlich wie der Dorfchef.
Der sonnendurchflutete Juli des Jahres 2035 verging mit pausenloser Agitation. Artur Tschistokjow führte drei kleinere Kundgebungen im Westen des Landes durch. Es kam in den Kleinstädten zu keinen nennenswerten Zusammenstößen mit der örtlichen Polizei und Frank wuchs mehr und mehr in die Rolle des Anführers der bewaffneten Ordnertrupps hinein.
Zehntausende von Flugblättern und Zeitungen der Rus überschwemmten das Land, nahezu die gesamte Dorfjugend von Ivas und Tausende von russischen Aktivisten waren in Weißrussland und Litauen Tag und Nacht unterwegs. Wilden hatte die Männer vor Ort darauf eingeschworen, dass der Umsturz noch in diesem Jahr erfolgen musste.
Von Seiten der Bevölkerung ernteten die Rebellen jetzt zum größten Teil offene Sympathien. Die Anzahl derer, welche bei den Aktionen von der Polizei verhaftet wurden, nahm im Gegenzug spürbar ab. Häufig schauten die weißrussischen Beamten einfach weg und ließen die politischen Dissidenten ihr Werbematerial verteilen. Das war bereits ein großer Erfolg.
Zeitgleich spitzte sich die Lage im Land weiter zu. Im August wurden die Lebensmittelpreise gehörig erhöht und es kam zu Streiks und Unruhen in den Großstädten.
Die befürchtete Anhebung der Preise von Öl und Gas ließ aber noch auf sich warten. Sie war erst für den Monat Oktober geplant. Im Winter konnte diese bei Millionen Menschen verhasste Maßnahme tatsächlich zu einer revolutionären Stimmung führen.
Artur Tschistokjow und Wilden waren sich dessen jedenfalls absolut sicher und das rapide Anwachsen der Anhängerschaft der Freiheitsbewegung der Rus schien ihnen Recht zu geben.
Waren sie noch vor einiger Zeit eine kleine, überschaubare Truppe gewesen, so strömten jetzt Tausende von Menschen in ihre Reihen. Für Mitte August bereiteten die Rus schließlich erneut eine Massendemonstration in Gomel vor.
Es war ein wundervoller Herbsttag. Die grellen Strahlen der Sonne tauchten Gomel, jene weißrussische Großstadt, die vor einigen Monaten zur Zeugin blutigster Straßenkämpfe geworden war, in ein freundliches Licht.
Frank, Alf und Artur Tschistokjow trauten ihren Augen nicht. Sie standen inmitten eines gewaltigen Menschenmeeres. Der Rebellenführer versicherte ihnen, dass sich heute fast doppelt so viele Menschen im Stadtzentrum versammelt hatten, wie bei der letzten Demonstration.
„Das ist unglaublich. So viele Leute. Das sind bestimmt 30.000 oder sogar 40.000“, staunte Frank.
„Die Not treibt sie zu uns“, bemerkte Wilden trocken und musterte die Masse.
„Wenn sie uns heute nicht zusammenschießen, ist das ein schwerer Imageverlust für die Medschenko-Clique“, sagte Kohlhaas und starrte kampfeslustig auf einige Polizisten in der Ferne.
„Komm jetzt!“, brummte Alf und zog seinen Freund am Ärmel seines grauen Hemdes. Dann gingen sie zu den russischen Ordnern. Frank gab ihnen Anweisungen und die Männer verteilten sich. Anschließend wandte er sich an Bäumer: „Wir haben heute zwischen 2.000 und 3.000 bewaffnete Ordner hier. Diesmal laufen wir den Bullen nicht mehr so einfach vor die Flinte. Einige hundert
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