Beutewelt 03 - Organisierte Wut
Ordner haben sich fernab der Menge in kleineren Gruppen verteilt. Wenn es heute knallt, fallen sie den Bullen und GCF-Soldaten in die Flanke.“
„Gute Idee! Ich denke aber, dass es heute ruhiger verlaufen wird. Beide Seiten sind vorsichtiger geworden“, mutmaßte Alf.
Die Masse setzte sich in Bewegung und nahm Kurs auf das Rathaus der Großstadt. Sprechchöre donnerten trotzig durch die überfüllten Straßen und Hunderte von Drachenkopf- und Russlandfahnen wurden geschwenkt.
Heute hatte sich in Gomel mehr als nur eine Masse von unzufriedenen Demonstrierenden zusammengeschlossen. Sie waren inzwischen eine kleine Armee, welche den örtlichen Polizeistreitkräften durchaus trotzen konnte.
Zeitgleich mit dem Aufmarsch in Gomel, welcher sämtliche im Osten des Landes stationierte Polizisten beanspruchte, führten Artur Tschistokjows Anhänger noch vier kleinere Kundgebungen in mittelgroßen Ortschaften durch.
Die Demonstranten marschierten etwa fünf Kilometer quer durch die Innenstadt zu einem riesigen Platz. Hier befand sich das Rathaus.
Artur Tschistokjow hielt eine fast zweistündige Rede und schrie seine üblichen Anklagen gegen das herrschende System heraus, während er gleichzeitig den Weißrussen eine glänzende Zukunft unter seiner Führung versprach. Die Polizei verhielt sich ruhig.
„Die machen nichts. Trotz Panzerwagen“, wunderte sich Frank und zog seinen Stahlhelm über.
„Vielleicht verläuft heute wirklich alles friedlich. Die werden sich auch überlegen, ob sie noch einmal so ein Gemetzel haben wollen“, antwortete Alf.
Ein ranghoher Polizist kam jetzt heran und bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Einige Demonstranten pöbelten ihn an und machten Anstalten ihn anzugreifen. Artur Tschistokjow wies sie jedoch energisch zurecht und näherte sich dem Beamten.
„Was passiert da?“, schnaubte Kohlhaas und eilte mit Alf nach vorne.
Sie schoben einige Männer zur Seite und konnten jetzt etwas erkennen. Den beiden Rebellen aus Ivas fielen bei dem Anblick fast die Augen aus den Schädeln. Der Polizist schüttelte Artur Tschistokjow die Hand, lächelte und ging wieder zurück zu seinen Leuten. Der Anführer der Rus brüllte etwas in sein Megafon.
„Was?“, rief Alf.
“Artur hat den Befehl zum Abmarsch gegeben. Die Demonstration ist vorbei!“, übersetzte Frank.
„Wie jetzt?“
„Wir gehen nach Hause! Feierabend für heute!“
„Hä?“, sagte Alf verdutzt.
„Keine Schießerei, nichts! Wir ziehen ab!“
Die gewaltige Menschenmasse bewegte sich mit erstaunlicher Disziplin friedlich aus dem Stadtzentrum von Gomel heraus. Einige Polizeitrupps folgten ihnen und wirkten fast wie Begleiter.
Irgendwann löste sich die Menge auf und machte sich auf den Heimweg. Bis auf einige übereifrige Jugendliche, welche die Heimfahrt für Schlägereien und Beschimpfungen nutzten, gab es keine Zusammenstöße. Artur Tschistokjow verabschiedete sich am Ende dieses Tages von seinen Getreuen mit einem zufriedenen Lächeln. Der zweite Protestmarsch durch Gomel war geglückt.
„Warum haben die GCF-Soldaten nichts gemacht?“, fragte sich Bäumer und schnappte sich noch ein Bier.
„Ganz einfach, weil sie zu wenige waren. Die weißrussische Polizei hat ihnen ihre Unterstützung versagt. Alleine hätten sie uns diesmal nicht aufhalten können“, triumphierte Wilden.
„Im Fernsehen haben sie fast nichts über Gomel berichtet“, bemerkte Frank und saß wie ein König auf dem alten Bürostuhl in Wildens Arbeitszimmer.
„Was sollen sie auch berichten? Etwa dass sie uns nicht mehr Herr werden können? Ha, ha!“, stieß der Dorfchef aus und schlug sich auf die Schenkel.
„Da hast du Recht!“
Der ehemalige Unternehmer richtete sich vor Frank und Alfred auf. „Das war unser bisher größter Sieg! Das System hat in Gomel kapituliert. Ist euch das überhaupt klar?“
„Nun, vermutlich liegst du richtig, Thorsten“, erwiderte Frank. „Vielleicht haben sie diesmal wirklich vor unserer Masse den Schwanz eingezogen …“
„Das Wichtigste ist, dass die weißrussische Polizei nichts getan und sich mit Artur geeinigt hat“, ergänzte Alf.
Der Dorfchef hatte die Lage diesmal vollkommen korrekt eingeschätzt. Die Massenkundgebung in Gomel war ein unerwarteter Erfolg. War der letzte Aufmarsch noch von einem Blutbad begleitet gewesen, so waren sie jetzt weitgehend friedlich und mit der fast doppelten Menge an Teilnehmern durch die Großstadt gezogen.
Dies alles ließ die Erwartungen steigen. Frank,
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