Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
Lehmann.“
Die Augen des Bankers blitzten auf, als der russische Präsident von einer derartigen Aussicht auf Gewinn sprach. Der Gast atmete tief durch. „Tatsächlich?“
„Ja, ich habe beschlossen, die russische Wirtschaft noch weiter für ausländische Investoren zu öffnen. Es spricht nichts dagegen, der Börse wieder einen Zutritt zu gewähren. Das wäre für uns alle äußerst profitabel.“
„Das hört sich sehr interessant an, Herr Tschistokjow. Wie würde eine Beteiligung an der russischen Produktion denn genau aussehen?“
„Das sollten wir bei einem weiteren Treffen besprechen, Mr. Lehmann. So etwas würde heute einfach den Rahmen sprengen.“
„Sie werden langsam ein richtiger Geschäftsmann, Herr Präsident!“, lobte der Banker.
„Wir müssen alle sehen, wo unsere Länder bleiben. Es war töricht von mir, dass ich die Prinzipien des Wirtschaftsliberalismus bisher nicht ausreichend beachtet habe, aber inzwischen weiß ich, dass nur eine funktionierende Ökonomie auf Dauer den Erfolg bringt.“
„Da gebe ich Ihnen Recht, Herr Tschistokjow!“, betonte Mr. Lehmann freudig.
Nach einer Weile verabschiedete sich der Besucher mit einem freudigen Lächeln und kehrte nach Moskau zurück. Es dauerte noch nicht einmal zwei Wochen, da erhielt Tschistokjow einen weiteren Kredit von nicht weniger als 100 Milliarden Globes. Die Aussicht auf eine Beteiligung an der russischen Wirtschaft hatte Mr. Lehmann schließlich doch schwach werden lassen und durch seine internationalen Kontakte gelang es ihm schließlich, die von Artur Tschistokjow gewünschte Summe in voller Höhe aufzubringen.
Frank gähnte und kroch aus den Federn. Soeben hatte ihn sein DC-Stick, den er gestern Abend in seiner Hosentasche vergessen hatte, mit einem lauten Piepen aus dem Schlaf gerissen. Fluchend richtete sich der noch müde General auf und kramte in seinen Klamotten herum.
„Was ist denn los, Schatz? Wir haben 6.00 Uhr morgens!“, schnaufte Julia leise und drehte sich genervt um.
„Der verdammte DC-Stick hat gepiept…“
„Das macht er doch normalerweise nicht“, sagte die junge Frau.
„Was weiß ich? Nur bei ganz wichtigen Nachrichten der höchsten Prioritätsstufe“, erwiderte Frank.
Kohlhaas brummelte irgendwelche Worte in seinen Dreitagebart, doch Julia konnte ihn kaum verstehen. Schließlich klappte er den DC-Stick auseinander, tippte sich durch das Menü des elektronischen Datenträgers und stieß einen Schwall Luft aus.
„Was?“, brachte er nur heraus.
„Was ist denn?“, murmelte Julia.
„Hä?“, kam zurück.
„Was ist denn?“
„Das frage ich mich auch!“, murmelte Frank.
„Was ist das denn für eine Nachricht?“
„Vom Oberkommando…“
„Ja, und?“
„General Kohlhaas, begeben Sie sich unverzüglich zur Kaserne nach Tula. Das Oberkommando der Volksarmee der Rus hat befohlen, das Sie die nächsten Wochen bei der Ausbildung neuer Warägergardisten helfen müssen. Zudem hat Artur Tschistokjow noch einmal betont, dass Sie auch weiterhin die Führung der Warägergarde behalten werden! Diese Nachricht unterliegt der Geheimhaltungsstufe „Alpha“. Sie sind verpflichtet, sie nach der Kenntnisnahme umgehen zu löschen!
Gez. General Rostislaw.“
Julia richtete sich erschrocken auf, nachdem Frank ihr den Inhalt der Nachricht vorgelesen hatte. Für einige Minuten fehlten ihr die Worte.
„Was hat das zu bedeuten? Ich dachte, dass wir endlich einmal unsere Ruhe haben“, schimpfte sie dann.
„Das wird wieder so eine Routinesache sein…“, brummte Frank.
„Da steht doch, dass du die nächsten Wochen weg sein wirst. Warum denn?“, rief die Tochter des Außenministers und war auf einmal hellwach.
Frank zuckte mit den Achseln. „Was weiß ich denn? Keine Ahnung!“
Peter Ulljewski hatte sich in den letzten Wochen Artur Tschistokjows Aufmerksamkeit entzogen und sich bei seinem besten und ältesten Freund nie mehr als nötig gezeigt. Heute waren sie sich im Zuge einer wichtigen Sitzung in St. Petersburg wieder begegnet, hatten aber kaum Blicke ausgetauscht. Ähnlich war es auch bei Frank und Außenminister Wilden gewesen, die inzwischen überhaupt nichts mehr von Tschistokjow hielten und ihn mehr oder weniger offen als Verräter an den Idealen der Revolution bezeichneten.
Der russische Staatschef winkte Ulljewski, der am anderen Ende des riesigen Konferenztisches Platz genommen hatte, zu sich heran und bat ihn, mit in sein Büro zu kommen. Widerwillig trottete ihm der
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