Beutewelt 06 - Friedensdämmerung
Entweder den Logenbrüdern oder der übrigen Menschheit.
„Noch eine halbe Stunde!“, flüsterte Kohlhaas und steckte seinen DC-Stick wieder in die Hosentasche. Grübelnd fummelte er am Brustpanzer seiner Ferroplastinrüstung herum, betrachtete still seine Waffe. Bäumer schwieg und man merkte ihm die unglaubliche Anspannung an.
„Das wird der Dritte Weltkrieg, Alf!“, sagte Frank und betastete mit nervösen Fingern seinen Helm.
Bäumer schluckte. „Meinst du das ernst?“
Kohlhaas legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte für einen Moment nichts. Schließlich erklärte er: „Wenn wir gleich die Grenze zum Sektor Europa-Ost überschreiten, dann werden wir den größten Krieg aller Zeiten beginnen. Das weißt du doch, oder?“
„Ich weiß nicht…“, stammelte Alf entsetzt.
„Doch! Du weißt es genau so gut wie ich. Dann wird es knallen, wie es noch nie geknallt hat. Dagegen wird alles, was wir bisher erlebt haben, ein Kinderspiel sein.“
„Vielleicht geht es auch gut“, versuchte sich Alf zu beruhigen, doch man sah ihm an, dass er Franks schrecklichen Ausführungen Glauben schenkte.
„Darauf warten unsere Feinde doch nur! Glaubst du, dass sie die halbe Welt aus reiner Langeweile gegen uns mobilisiert haben? Wenn wir gleich vorrücken, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann werden morgen vielleicht sogar Atombomben gezündet und ganze Städte vernichtet. Glaube es mir, Alf! So wird es kommen! Ich fühle es!“, sagte Frank mit beinahe gespenstischer Überzeugungskraft.
„In 17 Minuten geht es los!“, schallte es aus dem Funkgerät. Kohlhaas gab kurz zu verstehen, dass seine Leute bereit waren.
„Ist es das wert, Frank?“, wollte Bäumer wissen und hielt sich den Kopf.
„Es ist nicht aufzuhalten. Entweder wir greifen an oder sie. In verdammten 17 Minuten beginnt es. Nein, jetzt sind es nur noch 16 Minuten. Verfluchte 16 Minuten bis zum Dritten Weltkrieg!“, sagte Frank und krallte sich an seiner Waffe fest.
Überall um die beiden herum marschierten derweil unzählige Soldaten durch die Nacht. Am dunklen Horizont konnte Kohlhaas die Geschützrohe der mobilen Artillerie vorbeiziehen sehen. Dann kamen Dutzende von Panzern, die mit röhrenden Motoren an den Warägern vorbeirasten.
„Noch 7 Minuten!“, wisperte Frank durch die Finsternis.
Alfred schwieg und war inzwischen kreideweiß. Mit zittrigen Fingern zündete er sich eine Zigarette an und erinnerte Frank an einen Todeskandidaten, der auf den elektrischen Stuhl wartete.
„4 Minuten!“
„General Kohlhaas, ich schicke Ihnen die aktualisierten Einsatzbefehle jetzt jede halbe Stunde auf ihren DC-Stick“, hörte dieser eine schnarrende Stimme aus dem Komm-Sprechgerät schallen.
„Ich glaube nicht, dass es direkt zum Dritten Weltkrieg kommen wird, nur weil wir in den Sektor Europa-Ost einmarschieren“, versuchte Alf seinen Freund noch einmal umzustimmen, doch er schien selbst nicht an seine Worte zu glauben.
„Noch 117 Sekunden bis zum Dritten Weltkrieg!“, gab dieser nur zurück und starrte angespannt auf seine Digitaluhr.
„War es nicht das, was wir seit Jahren wollten? Europa befreien? Deutschland befreien?“, fragte Frank.
„Ja, eigentlich schon, aber ich…“, stotterte Bäumer.
„Jetzt haben wir die Gelegenheit dazu, doch wir müssen auch den Preis zahlen“, erwiderte sein Freund.
„Aber Frank…“, jammerte Alf total verstört.
Der Anführer der Warägergarde schwieg. Sein Funkgerät knisterte erneut, übermittelte den Befehl zum Vormarsch nach Westen. General Kohlhaas murmelte ein letztes, kurzes Gebet. Dann begann es.
In den dunklen Morgenstunden des 31. August 2050 überschritten die Soldaten der Volksarmee die Grenze zum Verwaltungssektor Europa-Ost und stießen auf polnisches und slowakisches Gebiet vor. Hunderte von Flugzeugen zischten über ihren Köpfen hinweg und flogen in Richtung Horizont, um Warschau zu bombardieren. Zuerst sollten die neuartigen EMP-Bomben zum Einsatz kommen, um die Stromversorgung der Metropole außer Kraft zu setzen. Anschließend galt es, wichtige strategische Ziele zu zerstören. Inzwischen ging schon die Sonne auf und die motorisierten Warägertrupps erreichten zuerst die polnische Grenzstadt Biala Podlaska, während ihnen die Verbände der Volksarmee im Eiltempo folgten.
Die noch verschlafen und halb verlassen wirkende Stadt wurde widerstandslos eingenommen. Einige EMP-Bomben hatten die Stromversorgung Biala Podlaskas außer Kraft gesetzt und nun brausten die
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