Beverly Barton, Hexenopfer
Wir haben uns unterhalten. Ich habe ihm gesagt, er soll abhauen. Und wie Jamie nun mal ist, kam das nicht gut bei ihm an, also hat er sich an die nächste Frau gehängt, die er auftreiben konnte, um mich eifersüchtig zu machen.«
»Er hat jemanden in der Bar aufgegabelt?«
»Stimmt.«
»Wissen Sie …«
»Ich glaube, sie hieß April oder Amber. Sie war ein paar Mal dort, aber ich kenne sie nicht persönlich. Er wird wohl bei ihr sein, nehme ich an.«
»Danke, Jazzy. Und … tut mir leid.«
»Dass Sie mich geweckt haben?«
»Ja, das auch, aber vor allem, weil Jamie nie das Rückgrat hatte, sich gegen seine Großmutter zu behaupten und Sie trotz deren Protesten zu heiraten.«
Jazzy schwieg eine Weile. »Sagen Sie seiner neuen Verlobten, sie soll die Beine in die Hand nehmen und weglaufen.«
Das Freizeichen dröhnte in Big Jim Uptons Ohr.
Jacob hatte sich auf die Pritsche in seinem Büro im Gerichtsgebäude gelegt, statt nach Hause zu gehen. Nachdem er sich eine Stunde lang hin und her gewälzt hatte, war er schließlich irgendwann nach Mitternacht eingeschlafen. Als ihn die Unruhe vor seiner Bürotür weckte, drückte er auf den Knopf an seiner Digitaluhr, um das Zifferblatt zu erhellen. Vier Uhr zwölf.
»Ich will Jacob jetzt sofort sehen!«, ertönte eine laute Männerstimme.
»Aber er schläft«, teilte Deputy Tewanda Hardy dem zornigen Mann mit. »Er ist vollkommen fix und fertig.«
»Verdammt, Frau, gehen Sie mir aus dem Weg. Ich muss mit Jacob sprechen.«
Jacob setzte sich auf den Rand der Pritsche, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, gähnte herzhaft und stand auf. Er erkannte die Stimme des Mannes. Bürgermeister Jerry Lee Todd. Was zum Teufel hatte Jerry Lee in solche Panik versetzt?
Gleich darauf schwang die Bürotür auf, und Jerry Lee stürmte in den Raum, Tewanda dicht hinter ihm.
»Entschuldigen Sie, Jacob«, sagte Tewanda, »aber der Bürgermeister bestand darauf, Sie auf der Stelle zu sehen.«
»Schon gut«, erwiderte er. Tewanda war sein einziger weiblicher Deputy, und einer der besten, wenn nicht sogar die Beste, die er hatte. Sie nahm Kurse an der University of Tennessee in Knoxville, um ihr Diplom zu machen, daher hatte er ihren Schichtplan so eingerichtet, dass sie nachts arbeiten konnte. Ihr Traum war, Anwältin zu werden, und Jacob zweifelte nicht daran, dass sie ihre Sache gut machen würde. Sie wusste bereits ebenso viel über das Gesetz wie er. Vielleicht mehr.
»Sie müssen mir helfen«, sagte Jerry Lee.
»Was ist los?« Als Tewanda das Deckenlicht in Jacobs Büro einschaltete, nahm er den Bürgermeister genauer in Augenschein. Der Mann sah aus wie eine wandelnde Leiche. Bis auf die Haut durchnässt, das Gesicht rot von der draußen herrschenden Eiseskälte, das schüttere Haar klebte am Kopf. Ein trauriger Anblick, geradezu jämmerlich. Jacob schaute an Jerry Lee vorbei zu Tewanda, die mehrfach die Hand an die Lippen hob, um ihm anzudeuten, dass sie den Bürgermeister für betrunken hielt.
»Haben Sie getrunken?«, fragte Jacob.
»Ja, das habe ich«, erwiderte er. »Ich war draußen bei Big Jim, um Jamies Rückkehr zu feiern, und ich habe zwei Gläser Champagner getrunken. Und dann hatte ich ein paar Schlückchen Scotch zu Hause, um mich aufzuwärmen. Aber ich bin nicht betrunken.« Er wirbelte herum und funkelte Tewanda wütend an. »Ich bin aufgebracht, verdammt, nicht betrunken.«
»Wie Sie meinen, Bürgermeister.« Tewanda verdrehte die Augen.
»Würden Sie uns bitte allein lassen? Ich muss mit Jacob unter vier Augen sprechen«, sagte Jerry Lee.
Ohne ein Wort zu verlieren, drehte sich Tewanda um und ging aus dem Büro, ließ die Tür aber offen stehen. Jerry Lee machte sie mit einem Fußtritt hinter ihr zu.
»Frauen sollten keine Deputys sein«, knurrte Jerry Lee.
»Würden Sie mir vielleicht sagen, was los ist?« Jacob verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ist vier Uhr morgens. Was ist so eilig, dass es nicht bis zu einer vernünftigen Uhrzeit warten konnte?«
»Cindy wird vermisst.«
»Was?«
Jerry Lee rieb sich die geschlossenen Augen mit den Fingerspitzen. »Sie hat die Party früh verlassen. Konnte mit dem neuen Arzt und seiner Frau mitfahren.« Er öfnnete die Augen und schaute zu Jacob, doch sein Blick war unstet. »Ich habe mit ihnen gesprochen. Sie sagten, sie hätten sie unterwegs abgesetzt, so gegen Viertel vor zehn. Ich bin kurz nach elf nach Hause gekommen, und sie war nicht da.«
»Gibt es einen Grund, warum sie Sie verlassen
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