Beverly Barton, Hexenopfer
würde?«, fragte Jacob, der nur zu gut wusste, dass die halbe Stadt von den Ehekrächen zwischen Cindy und Jerry Lee gehört hatte.
»Sie hat mich nicht verlassen. Ihre ganzen Sachen sind noch da. Immer wenn sie ein paar Tage wegfährt, packt sie zwei Taschen. Nichts fehlt.«
»Vielleicht hat sie die Nacht bei Freunden verbracht.« Jacob wählte absichtlich den geschlechtsneutralen Plural. Cindy ging der Ruf voraus, dass sie herumhurte, und sie hatte Jerry Lee in ihrer sechsjährigen Ehe mit mindestens einem halben Dutzend Männern betrogen.
»Sie bleibt mit keinem ihrer Freunde die ganze Nacht weg. Um die Uhrzeit am Morgen ist sie immer zu Hause.« Jerry Lee ließ sich auf einen der Stühle vor Jacobs Schreibtisch fallen. Der Mann wurde direkt vor Jacobs Augen um zehn Jahre älter. »Ich weiß, was Sie denken. Sie glauben, dass sie mit einem Mann auf und davon ist, aber ich sage Ihnen, das stimmt nicht.«
Jacob trat zu Jerry Lee und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wie können Sie sich da so sicher sein?«
»Ihre neueste Errungenschaft ist dieser Carson. Sie wissen schon, dieser Möchtegernschauspieler/Regisseur, der das kleine Stadttheater leitet.« Jerry Lee rang die Hände und ließ die Fingergelenke knacken. »Ich habe ihn angerufen, und er wollte nicht mit mir sprechen, daher bin ich zu seiner Wohnung gegangen. Schließlich hat er zugegeben, dass Cindy letzte Nacht bei ihm war, schwor jedoch, sie sei vor elf wieder gegangen.«
Jacob hätte gern Mitleid mit Jerry Lee gehabt, aber es gelang ihm nicht. Eine große Portion dieses Unglücks hatte der Mann selbst auf sich geladen. Er hatte die falsche Frau geheiratet, sich geweigert, sie frei zu geben und hatte dann sein Elend an ihr und allen in seiner Umgebung ausgelassen.
»Geben Sie mir eine Liste ihrer Freunde«, sagte Jacob. »Gegen sechs werde ich ein paar Anrufe machen.«
»Sie ist nicht bei Freunden. Ich sage Ihnen, sie steckt in Schwierigkeiten. Ich spüre es«, – er schlug mit der geschlossenen Faust auf seinen Bauch – »hier drinnen. In Cherokee County läuft ein Mörder frei herum …«
»Ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse. Cindy geht es wahrscheinlich gut, und in ein paar Stunden wird sie zu Hause aufkreuzen.«
»Glauben Sie das wirklich?«
Jacob nickte.
»Ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben«, sagte Jerry Lee. »Und wenn sie nicht nach Hause kommt, möchte ich, dass Sie …«
»Wenn sie bis heute Mittag nicht zu Hause ist, rufen Sie Roddy Watson an. Sie leben in der Stadt, schon vergessen? Sie werden die Anzeige bei der Polizei von Cherokee Pointe aufgeben müssen.«
»Ja, ja, ich weiß. Nur baue ich auf Sie, dass Sie Cindy für mich finden. Sie wissen über unsere Vergangenheit und das alles Bescheid. Roddy und ich spielen zusammen Golf, sind Mitglieder des Country Clubs, und unsere Mütter sind Bridge-Partnerinnen. Kapiert?«
Ja, das verstand Jacob nur allzu gut. Jerry Lee wollte seinen Freund, den Polizeichef, nicht mit hineinziehen, einen Mann, den der Bürgermeister als gesellschaftlich ebenbürtig betrachtete. Jacob gegenüber konnte er zugeben, dass er Cindys neuesten Geliebten zur Rede gestellt hatte, doch so ehrlich konnte er einem Freund gegenüber niemals sein.
»Gehen Sie doch einfach nach Hause, versuchen Sie, ein wenig zur Ruhe zu kommen, und wenn Cindy gegen Mittag nicht auftaucht, rufen Sie mich an, dann legen wir los.«
Mit hängenden Schultern und von Erschöpfung gezeichneten Gesichtszügen erhob sich Jerry Lee und gab Jacob die Hand. »Danke«, sagte er.
Sobald der Bürgermeister gegangen war, kam Tewanda mit zwei Tassen Kaffee in Jacobs Büro und reichte ihm eine. Er schaute von seinem Platz hinter dem Schreibtisch zu ihr auf und nahm lächelnd den Kaffee entgegen.
»Er ist ein ganz schönes Stück Arbeit, nicht wahr?«, stellte Tewanda fest.
»Tja, Ms Hardy, wenn Sie so etwas sagen, muss ich annehmen, dass Sie unseren Bürgermeister nicht leiden können.«
»Den leiden können?«, knurrte Tewanda. »Der Mann ist ein Betbruder, ein Frauenschläger und ein …«
»Nur zu, sagen Sie mir, was Sie wirklich von ihm halten.«
»Ich hoffe, Cindy Todd ist mit jemandem davongelaufen und bleibt ein für alle Mal weg.«
»Wenn sie mit einem Kerl durchgebrannt ist, wünschte ich, sie hätte Jerry Lee eine Notiz oder etwas Ähnliches hinterlassen. Wie es aussieht, rennt er uns die Türen ein, wenn sie nicht nach Hause kommt.« Jacob nippte an dem heißen Kaffee und seufzte zufrieden, als ihm
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