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Bevor Alles Verschwindet

Bevor Alles Verschwindet

Titel: Bevor Alles Verschwindet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Scheffel
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ist schon fast zwölf, er will rechtzeitig da sein, sonst hat die ganze Sache keinen Sinn, wenn er die Leute verpasst und die dann alles falsch machen, am perfekten Haus.
    »Hast du was vergessen?« Jules nickt. »Kein Problem, Mama bringt es mit, wenn sie dann später mit Jula kommt.«
    »Wir sehen uns, Papa«, sagt Jules und schnallt sich los.
    »Was wird das denn jetzt?«
    »Ich bleib' doch noch hier«, sagt Jules und steigt aus. Jeremias schluckt den Protest hinunter, sie werden sich wiedersehen, natürlich, auch wenn Jules heute noch nicht mitkommt.
    »Aber keinen Unsinn machen«, sagt Jeremias. Jules schüttelt den Kopf. »Pass gut auf dich auf, Jules.«
    »Mach ich«, sagt Jules und: »Du auch.«
    »Aber selbstverständlich«, sagt Jeremias. »Wenn ihr kommt, ist alles schon schön.«
    »Das ist gut«, sagt Jules, dann geht er los, zurück in Richtung der Ruinen und an der riesigen Staumauer entlang.
    Jeremias zieht die Tür zu, beobachtet, wie sein Sohn sich entfernt. Er wirkt erwachsen, so von hinten, mit diesem schnellen Schritt. Ganz anders als vorhin, als Jeremias Angst hatte, dass Jules diesen Milo zusammenschlägt. Er versteht ihn und ihm selbst geht es ähnlich, und auch das ist einer der Gründe, warum er nicht dem Drang nachgibt, seinem Sohn hinterherzugehen, nach Hause. Er ist so wütend und er weiß nicht, wozu ihn die Wut bringen könnte. Dass andere für sie entschieden haben, dass sie, ohne Garantie darauf, dass alles jemals wieder zusammenpassen wird, ihre Leben neu sortieren sollen. Der Regen hat aufgehört, die Sonne scheint. Er wird oben auf sie warten, ein neues Zuhause einrichten, und dann sind sie wieder zusammen, in ein paar Wochen oder früher, und sie werden es auch dort oben schaffen, besonders zu sein und eine intakte Familie. Er denkt an seinen Zettel, an Elenis seltsame Idee, alles, was vermisst werden könnte, aufzuschreiben. Auf Jeremias' Fetzen stand nur ein Wort: Nichts .

Marie
Zwei Monate
    Anfang Mai löst sich der Kindergarten auf, weil außer Marie niemand mehr auftaucht, ab morgen kommt nicht einmal mehr die Kindergärtnerin. »Was möchtest du heute machen, Marie?«, fragt diese am letzten Tag. Marie sitzt auf einem der kleinen Stühle, sie kann sich aussuchen, welchen sie nimmt, heute ist es der mit dem Frosch, den hatte sonst immer Paul.
    Paul, Mia und Leon gehen seit ein paar Wochen in einen anderen Kindergarten, oben im neuen Ort. Ihre Eltern haben gemeinsam beschlossen, dass es Zeit sei umzuziehen. Paul hat Marie gefragt, ob sie mitkommen wolle, seine Mutter würde sie mit dem Auto abholen. Aber Marie möchte nicht, sie will noch einen Tag absitzen, und dann kommt die große Freiheit und dann kann Marie endlich wirklich machen, was sie will, jedenfalls bis abends um acht, um acht schickt man sie ins Bett, weil ihre Eltern meinen, dass sie dann müde sei.
    »Na, Marie, was wollen wir anstellen?«, wiederholt die Kindergärtnerin, dabei hat Marie sie schon beim ersten Mal verstanden, sie ist ja nicht taub. »Möchtest du zu den Kaulquappen gehen?« Marie schüttelt den Kopf. »Wollen wir mit Herrn Kopf spielen?«
    »Er heißt nicht Herr Kopf«, sagt Marie und schlingt ihre Arme noch fester um den Schädel. Die Kindergärtnerin hat mit Maries Eltern über den Totenschädel gesprochen und darüber, dass er mittlerweile sogar beim gemeinsamen Essen dabeisitzen muss.
    »Ich finde, das hat was«, hat Robert verträumt gesagt.
    »Ja, und was«, hat die Kindergärtnerin gefragt.
    »Irgendwas«, hat Robert gesagt. »Jedenfalls mag Marie den Schädel.«
    »Den anderen macht er Angst.«
    »Warum?«, hat Clara gefragt. »Es ist nur ein Kopf.«
    »Marie hatte mal einen Teddy«, hat die Kindergärtnerin gesagt.
    »Marie hatte auch mal einen Schnuller«, hat Clara gesagt. »Nun hat sie eben diesen Schädel. Lassen Sie sie, das hört schon wieder auf.«
    »Ich würde Marie gern einem Spezialisten vorstellen.«
    »Marie wird niemandem vorgestellt«, hat Clara gesagt, und dann haben sie und Robert sich verabschiedet. Seitdem zähmt die Kindergärtnerin den gruseligen Schädel mit einem albernen Namen und beruhigt sich mit dem Gedanken, bald nichts mehr mit der Sache zu schaffen zu haben.
    »Kennen Sie den blauen Fuchs?«, fragt Marie.
    »Den, den du gemalt hast? Ja, der ist sehr schön.«
    »Er läuft durch die Gegend«, sagt Marie.
    »Mariechen«, sagt die Kindergärtnerin, »Mariechen, was machen wir nur mit dir?« Marie springt auf.
    »Darf ich gehen?« Die Kindergärtnerin blickt

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