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Bevor der Abend kommt

Titel: Bevor der Abend kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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während sie fieberhaft nach einer glaubwürdigen Ausrede suchte. »Mir war bloß ein bisschen kalt, und ich dachte, sie hätten vielleicht einen Pulli, den ich überziehen könnte.«
    Faiths Schultern entspannten sich, als sie die Lüge bereitwillig annahm. »Es ist wirklich kalt im Haus. Das sage ich Ryan auch immer, aber er behauptet, es wäre genau richtig. Wenn es nach mir ginge, würde ich die Klimaanlage ganz abschalten.« Sie wies auf einen langen, gelben Pullover, der an einem dicken Holzbügel ganz hinten im Schrank hing. »Probieren Sie den.«
    Cindy streifte den weichen Kaschmirpullover von dem Bügel. »Das ist besser«, sagte sie, während die warme Wolle auf ihrem Rücken brannte wie ein Sonnenbrand.
    »Die Farbe steht Ihnen.«
    »Danke.«
    »Sie sollten ihn behalten.«
    »Was?«
    »Ihnen steht er viel besser als mir. Sie können ihn genauso gut behalten.«
    »Oh nein. Das kann ich nicht annehmen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er Ihnen gehört.«
    Faith zuckte die Achseln. »Ryan ist in Hamilton, haben Sie gesagt?«
    »Ja, er hat gerade eben angerufen und gesagt, dass er in ein paar Stunden zurück ist.«
    »Ist er mit Marcy gefahren?«
    »Marcy?«
    »Hellrote Haare, große Titten, jede Menge Zähne.«
    »Hört sich an wie die Frau, die ihn abgeholt hat.«

    Faith nickte wissend. »Marcy Granger. Die Tochter des wichtigsten Partners und enge Mitarbeiterin von Ryan«, sagte sie und betonte dabei das Wort »eng«. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie eine Affäre haben.« Sie bückte sich und hob die Seife auf. »Glauben Sie, dass Seife wirklich die Motten fern hält?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe es nie probiert.«
    »Ihr Mann hat Sie auch immer betrogen, oder?«
    Cindy versuchte, ihren Schock über die Frage zu verbergen. Hatte sie Faith richtig verstanden?
    »Verzeihung. Das geht mich vermutlich nichts an.«
    »Wer hat Ihnen erzählt, dass mein Mann mich betrogen hat?«
    »Sie selber.«
    »Ich?«
    Nun wirkte Faith nervös. »Letzte Woche. Als ich bei Ihnen Tee getrunken habe.«
    Cindy bemühte sich angestrengt, sich das Gespräch beim Tee ins Gedächtnis zu rufen. Sie erinnerte sich vage daran, dass sie über Kinder, Faiths Zukunftsängste, die von ihr seltsam nüchtern erzählten Selbstmorde in ihrer Verwandtschaft und über ihre Sorge gesprochen hatten, dass Ryan sie nicht mehr liebte. Sie wusste auch noch, dass sie bestätigt hatte, dass der Keks Toms Ehefrau war. Aber sie hatte keine Erinnerung daran, Toms diverse Affären erwähnt zu haben.
    »Ich habe Hunger«, erklärte Faith. »Haben Sie nicht eben was von Mittagessen gesagt?«
    Cindy nahm ihr die Seife aus der Hand, schob sie wieder zwischen die Pullover und schloss die Schranktür, während ihre Gedanken rasten. Wenn sie Toms Affären Faith gegenüber nicht erwähnt hatte, wer dann?
    Julia?
    Fragen kreisten durch Cindys Kopf wie ein Hund, der seinen eigenen Schwanz jagt. War es möglich, dass Julia Faith von Toms Untreue erzählt hatte, obwohl die beiden einander kaum
kannten? Oder war es nicht naheliegender, dass Julia diese Information bei einer romantischen Begegnung Ryan offenbart hatte, der den saftigen Nachbarschaftsklatsch dann achtlos an seine Frau ausgeplaudert hatte?
    »Ich glaube, im Kühlschrank ist noch ein Rest Thunfisch«, sagte Faith schon auf halbem Weg in die Küche. Vor der Kinderzimmertür blieb sie stehen. »Ich sollte vielleicht besser mal nach Kyle sehen«, sagte sie sichtlich zögernd, ohne Anstalten zu machen, das Zimmer zu betreten.
    »Warum lassen Sie ihn nicht einfach schlafen?« Cindy führte Faith die Treppe hinunter und hoffte, noch eine Weile länger mit ihr allein zu sein. Wer wusste, was sie noch alles sagen würde.
    In Faiths Gesicht machte sich Erleichterung breit. »Hat er sie arg strapaziert?«, fragte sie und setzte sich an den Küchentisch, während Cindy im Kühlschrank den Thunfisch suchte.
    »Nein. Er war ganz toll. Obwohl er mir beinahe ins Gesicht gepinkelt hätte.«
    »Ich glaube, das macht er mit Absicht.«
    Cindy wollte lachen, als sie bemerkte, dass Faith es ernst meinte. Ihre Stimme klang flach und ausdruckslos, bar jeder Ironie. Beunruhigt wandte sie sich wieder dem Kühlschrank zu, gab die Suche nach dem Thunfisch auf und nahm mehrere Eier heraus, die, wie sie hoffte, halbwegs frisch waren. »Wie wär’s, wenn ich uns ein Omelett mache?«
    »Mit Käse?«
    »Haben Sie welchen?«
    »Ich liebe Käse«, sagte Faith, als ob das Cindys Frage beantworten würde.
    »Ein Käseomelett für die

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