Bevor der Abend kommt
Saat kümmert, immer lächelnd, immer glücklich und ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass ihr Mann eifrig damit beschäftigt ist, alles zu vögeln, was sich bewegt.«
»Faith, bitte …«
»Was? Meinst du etwa, ich wüsste es nicht? Meinst du, ich wüsste nichts von Brooke, Ellen und Marcy?« Sie machte eine kurze Pause. »Und von Julia?«
»Was ist mit Julia?«, fragte Cindy leise und beinahe zögerlich, den reißenden Strom ihrer Worte zu unterbrechen.
Faith wandte ihre Aufmerksamkeit abrupt von Ryan zu Cindy. »Nun, ich hasse es, der Überbringer der schlechten Nachricht zu sein, weil ich weiß, für wie besonders Sie Ihre kostbare Julia halten, aber Ihre Kleine war nur eine von vielen. Oder nicht, Ryan? Ziehen Sie eine Nummer – und stellen Sie sich von rechts an.«
»Faith«, warnte ihr Mann. »Das ist jetzt genug.«
»Genug? Ist das dein Ernst? Wann war dir je irgendetwas genug?«
»Hör zu, du bist erregt. Du bist erschöpft. Du weißt nicht, was du sagst.«
»Ich sage, dass du ein verlogenes, untreues Stück Scheiße
bist, das mit den Frauen seiner Kunden, mit der Tochter seines Partners und dem ganzen Stolz unserer Nachbarin schläft. Obwohl es nicht viel gibt, worauf man da stolz sein könnte, oder, Cindy? Glauben Sie mir: Julia ist kein unschuldiges kleines Opfer. Sie wurde nicht von einem Fremden mit einer Süßigkeit auf den Rücksitz seines Wagens gelockt. Sie hat mit einem verheirateten Mann geschlafen, und deswegen hat sie meiner Meinung nach verdient, was immer ihr geschehen ist.«
»Faith«, drängte Cindy, verzweifelt bemüht, nicht die Kontrolle zu verlieren, »wenn Sie wissen, wo Julia ist …«
»Haben Sie schon in den Gelben Seiten unter ›Huren‹ nachgesehen?«
Plötzlich schnitt Ryans Hand durch die Luft und klatschte laut in das Gesicht seiner Frau. »Halt die Klappe, Faith! Halt einfach die Klappe!«
Faith taumelte nach hinten und hielt sich das Gesicht. »Ich werde nicht die Klappe halten«, schrie sie. »Ich bin kein stiller Partner in dieser Beziehung, und stumm werde ich auch nicht mehr sein.«
»Wenn Sie eine Ahnung haben, irgendeine Ahnung, was mit Julia geschehen ist …«
Faith blinzelte Cindy an, als würde sie direkt in die Sonne starren. »Sie glauben, ich hätte etwas mit dem Verschwinden Ihrer Tochter zu tun?«
»Haben Sie das?«
Faith stieß einen tiefen kehligen Laut aus, irgendwo zwischen einem höhnischen Grunzen und einem wütenden Knurren, und ließ sich aufs Sofa sinken. Oben begann das Baby zu schreien. »Na, wer sagt’s denn? Noch eine Partei, die sich zu Wort meldet. Warum hast du diesmal so lange gebraucht?«, brüllte sie zur Decke.
»Haben Sie irgendetwas mit Julias Verschwinden zu tun?«, drängte Cindy und spürte, dass Ryan seine Frau ebenso intensiv ansah.
Faith las die Frage im Blick ihres Mannes und stieß ein weiteres Geräusch aus, das weniger trotzig, sondern eher wie ein Stöhnen klang. »Du glaubst, dass ich deinem Goldkind tatsächlich etwas angetan habe?«, fragte sie Ryan, ohne Cindy zu beachten. »Wann soll ich das deiner Meinung nach denn getan haben? Zwischen dem Stillen und dem Windelnwechseln? Zwischen dem Ins-Bett-Bringen deines Sohnes und dem Bemühen, selbst ein wenig zu schlafen? Wie wär’s zwischen zwei Blow-Jobs?«
»Faith, Herrgott noch mal …«
»Ich habe Ihre kostbare Julia nicht angerührt«, erklärte Faith Cindy. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo sie ist oder was ihr geschehen sein könnte.« Sie ließ den Kopf in die Hände sinken und sprach zwischen ihren gespreizten Fingern weiter. »Ja, ich habe diese Anrufe gemacht. Fragen Sie mich nicht, warum. Sie waren immer so nett zu mir. Meine Freundin. Meine einzige Freundin.« Sie hob die Beine vom Boden, rollte sich auf dem Sofa zusammen wie ein Embryo, die Arme um den Kopf geschlungen, als wollte sie sich vor weiteren Schlägen schützen. »Oh Gott. Würde irgendjemand das verdammte Baby zum Schweigen bringen.«
»Wie lange waren Sie mit meiner Tochter zusammen?«, fragte Cindy Ryan leise, während ihr Blick weiter starr auf Faith gerichtet blieb.
»Cindy …«
»Bitte beleidigen Sie mich nicht, indem Sie es weiter leugnen.« Sie wandte sich langsam in seine Richtung.
Ryan nickte. »Zwei Monate. Vielleicht ein bisschen länger.«
»Warum haben Sie gelogen?«
»Was sollte ich denn sonst tun? Sagen Sie es mir, Cindy. Was sollte ich tun?«
»Sie hätten die Wahrheit sagen sollen.«
»Und was hätte das gebracht? Was hätte es irgendwem
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