Bevor der Abend kommt
jetzt besser zurück nach Hause gehen, damit Sie noch ein bisschen schlafen können«, sagte sie. »Komm, Elvis. Die Party ist vorbei.« Zu ihrer Überraschung sprang der Hund sofort auf und folgte ihr.
»Vielen Dank für Ihre nachbarschaftliche Hilfe«, rief Ryan ihr nach, als Cindy den Bürgersteig vor dem Haus erreicht hatte.
Cindy wartete, bis Elvis sich am Stamm eines hohen Ahornbaumes erleichtert hatte. »Alles wird gut. Du wirst schon sehen«, sagte sie voller Selbstgewissheit, und erst später, als sie um kurz vor vier noch immer hellwach in ihrem Bett lag und Julia nach wie vor nicht nach Hause gekommen war, fragte sie sich, wen sie eigentlich so unbedingt hatte überzeugen wollen.
7
Am nächsten Morgen rief Cindy um Punkt halb acht Sean Banack an. »Hier ist Julias Mutter, Sean«, sagte sie zur Begrüßung. »Ist Julia da?«
»Was?« Die schläfrige Stimme klang kratzig von Zigaretten und Alkohol. »Verzeihung, was?«
»Hier ist Cindy Carver, Julias Mutter«, wiederholte sie und stellte sich vor, wie Sean Banack sich langsam auf seinem zerknitterten Laken auf den Ellenbogen stützte, mit der freien Hand sein langes blondes Haar aus der Stirn strich und sich die müden braunen Augen rieb. Sie fragte sich, ob Julia sich neben ihm räkelte. Ich bin nicht hier , konnte sie ihre Tochter förmlich flüstern hören, bevor Julia sich auf die andere Seite drehte und ein Kopfkissen über den Kopf zog.
»Mrs. Carver?«, fragte Sean, als wäre er nach wie vor nicht sicher, wer sie war.
»Tut mir Leid, dass ich so früh anrufe, aber ich muss Julia dringend sprechen.«
»Julia ist nicht hier.«
»Bitte, Sean. Es ist wirklich wichtig.«
»Sie ist nicht hier«, wiederholte er stur.
»Wissen Sie, wo sie ist?«
Sean stieß ein Geräusch irgendwo zwischen einem Lachen und einem Schluchzen aus. »Tut mir wirklich Leid, Mrs. Carver, aber Julia ist nicht mehr mein Problem.«
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass wir uns getrennt haben. Das soll heißen, ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo sie ist. Es soll heißen,
dass es halb acht ist und ich erst nach drei ins Bett gekommen bin, sodass ich noch immer leicht betrunken bin und deshalb dringend schlafen muss.«
»Sean«, rief Cindy, bevor er auflegen konnte. »Bitte. Julia ist gestern Nacht nicht nach Hause gekommen, und ich mache mir große Sorgen. Wenn Sie irgendeine Idee haben, wo sie sein könnte …«
»Tut mir Leid, Mrs. Carver«, sagte Sean, bevor er auflegte. »Ich bin nicht derjenige, mit dem Sie sprechen sollten.«
»Wie meinen Sie das? Mit wem sollte ich denn …?« Die Leitung war tot. Cindy starrte den Hörer in ihrer Hand eine Weile an, bevor sie ihn auf die Gabel fallen ließ. »Na toll. Einfach super.« Neben ihr rührte sich Elvis, sprang vom Bett und sah sie erwartungsvoll an. »Was soll das heißen: ›Ich bin nicht derjenige, mit dem Sie sprechen sollten‹?«, fragte sie den Hund, der den Kopf zur Seite legte, als würde er sich seine Antwort genau überlegen, bevor er zur Schlafzimmertür rannte und bellte. »Ist das alles, was du zu sagen hast?« Elvis bellte erneut und begann, auf dem Teppich zu kratzen. »Ich weiß, ich weiß. Du musst raus. Eine Minute, ja?« Elvis setzte sich prompt und wartete geduldig, bis Cindy geduscht und eine Jeans und ein altes orangefarbenes T-Shirt übergezogen hatte. »Ist Julia gekommen, während ich unter der Dusche war?«, fragte sie den Hund, der ihr gehorsam in Julias leeres Zimmer folgte.
Cindy blickte zu der geschlossenen Tür des Zimmers, das sich Heather mit Duncan teilte. Es beschäftigte sie, dass ihr keiner von beiden etwas von Duncans Streit mit Julia erzählt hatte, obwohl die Auseinandersetzung so erbittert gewesen war, dass sie sich aus dem Haus ins Freie verlagert und dort die Aufmerksamkeit der Nachbarn erregt hatte. Sie dachte darüber nach, in ihr Zimmer zu stürmen und eine Erklärung zu verlangen, entschied jedoch, diese Konfrontation lieber zu verschieben, bis sie mit dem Hund draußen gewesen war. Vielleicht war Julia bis dahin nach Hause gekommen.
»Komm, Junge.« Cindy befestigte die Leine an Elvis’ Halsband. Erst als sie aus dem Haus getreten war und die Tür hinter sich zugezogen hatte, fiel ihr auf, dass sie ihren Schlüssel vergessen hatte. Damit hatte sie zumindest eine Entschuldigung dafür, alle so früh zu wecken.
»Wo bist du, Julia?«, fragte Cindy die vom frühen Sonnenlicht gesprenkelte Straße und lauschte dem Rauschen auf der bereits
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