Bevor der Abend kommt
und hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie im Privatleben ihrer Tochter herumschnüffelte. Wenn Julia nach Hause kam, würde sie sich entschuldigen, nahm Cindy sich vor und hörte das Echo der vorwurfsvollen Stimme ihrer Schwester. Beinahe pathologisch gerecht , hatte sie gesagt.
»Sie haben sieben neue Nachrichten«, flötete eine Stimme vom Band in Cindys Ohr.
»Sieben neue Nachrichten«, wiederholte Cindy und sah sich vergeblich nach einem Zettel und einem Stift um.
Ihre Schwester warf die Hände in die Luft. Hab ich’s dir nicht gesagt , verkündete ihr Gesichtsausdruck.
Doch am Ende brauchte sie Stift und Papier gar nicht. Fünf Nachrichten waren von Cindy selbst und an Julias Handy weitergeleitet worden, eine war von Lindsey, und der letzte Anrufer hatte wortlos aufgelegt. Cindy legte den Hörer wieder auf die Gabel. Verzweiflung nagte an ihr wie ein dumpfes Hungergefühl.
»Alles in Ordnung?«, hörte sie Leigh trotz des Klingelns in ihren Ohren fragen. »Du siehst nicht besonders gut aus.«
Cindy beobachtete, wie der Raum bedrohlich hin und her schwankte, als würde sie auf einer hohen Schaukel sitzen und der Boden unter ihren Füßen weggleiten. Benigner paroxysmaler
Lagerungsschwindel, dachte sie und sah die Decke auf sich zukommen wie einen riesigen Vogel, der sie packte, in die Luft hob, ihren schlaffen, hilflosen Körper kräftig schüttelte und abrupt wieder fallen ließ. Cindy spürte, wie sie zu Boden gezogen wurde. Kurz vor der Landung hörte sie noch Elvis jaulen und sah, wie ihre Schwester entsetzt die Augen aufriss. »Was machst du?«, wollte Leigh wissen.
Cindys letzter Gedanke, bevor sie endgültig von der Dunkelheit übermannt wurde, war die Hoffnung, dass Leigh reagierte, bevor ihr Kopf auf dem Boden aufschlug.
14
Als Cindy die Augen aufschlug, sah sie Neil Macfarlanes attraktives Gesicht. Ich bin im Himmel, dachte sie und beobachtete, wie ihre Schwester und ihre Mutter sich in den Bildausschnitt schoben. Ich bin in der Hölle, korrigierte sie ihre erste Einschätzung eilig.
Das braune Ledersofa im Wohnzimmer ächzte, als Cindy sich aufrichtete. »Was ist los?«
»Du bist offensichtlich ohnmächtig geworden«, sagte Neil neben ihr. Er trug Jeans und ein gelbes Golfhemd, und seine erstaunlich blauen Augen waren von Sorge getrübt.
»Du hast mir einen höllischen Schrecken eingejagt«, sagte Leigh, machte zwei Schritte zurück und rieb sich die Hand. »Ich glaube, ich habe mir die Hand verstaucht, als ich dich aufgefangen habe.«
Cindy schüttelte den Kopf, um den dichten Nebel vor ihren Augen zu lichten, doch er ließ sich nicht abschütteln, sondern senkte sich weiter, schwer und drückend. »Das verstehe ich nicht. Wie lange war ich ohne Bewusstsein?«
»Nur ein paar Minuten«, antwortete ihre Mutter. »Ich war im Bad, als ich deine Schwester schreien hörte.«
»Ja, sie hat mir einen höllischen Schrecken eingejagt«, wiederholte Leigh.
»Und dann hat es geklingelt.«
»Das war ich«, sagte Neil lächelnd.
»Er hat Bagels mitgebracht«, berichtete Cindys Mutter.
»Er hat mir geholfen, dich aufs Sofa zu heben«, erklärte Leigh.
»Und damit endet unser minutiöser Bericht«, sagte Neil.
Cindy schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich bin noch nie zuvor ohnmächtig geworden.«
»Das liegt daran, dass du nicht genug isst«, dozierte ihre Schwester.
»Deshalb habe ich ja Bagels mitgebracht«, sagte Neil.
»Später vielleicht.« Cindy lächelte. Sie war so dankbar für seine Anwesenheit, dass sie beinahe losgeheult hätte. »Wie ich sehe, hast du meine Mutter und meine Schwester schon kennen gelernt.«
»Die notwendige gegenseitige Vorstellung ist bereits erledigt.«
»Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee bringen, Mr. Macfarlane?«, fragte Leigh, die alle umschwebte wie ein Hubschrauber in Wartestellung.
»Nein, danke.«
Cindy rappelte sich auf die Füße. »Ich könnte ein bisschen frische Luft gebrauchen.«
»Wie wär’s mit einem Spaziergang?«, fragte Neil.
Elvis bekundete enthusiastisch bellend seine Zustimmung und rannte zur Tür.
Cindy lachte. »Du hast das Zauberwort gesagt. Aber ein Spaziergang klingt tatsächlich gut.« Elvis fing an, im Flur im Kreis zu laufen und noch lauter zu bellen. »Okay, okay, du darfst mitkommen.« Langsam ging sie in die Küche, nahm Elvis’ Leine und befestigte sie an seinem Halsband.
»Bist du sicher, dass du schon wieder kräftig genug bist, nach draußen zu gehen?«, fragte ihre Mutter.
»Mir geht es gut,
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