Bevor der Abend kommt
immer noch mit dem widerspenstigen Drachen ab; die Sonnenbadenden lagen immer noch auf ihren Decken bei den Tennisplätzen; der Jogger in den hellgrünen Shorts drehte weiter seine traurigen Runden; die chinesische Frau machte nach wie vor ihre Gymnastikübungen. »Wo ist Elvis?«, fragte Cindy und drehte sich um. »Elvis!« Sie rannte bis zu dem Abhang und sah unten eine Gruppe Hunde tollen, aber Elvis war nicht darunter. »Elvis! Wo ist er? Elvis! Wo bist du?«
Neil war ihr sofort nachgeeilt. »Ganz ruhig, Cindy. Wir finden ihn schon.«
»Ich fasse es nicht. Ich glaub einfach nicht, dass ich gerade Julias Hund verloren habe.«
»Wir finden ihn«, wiederholte Neil.
Jetzt konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten, sondern schluchzte unkontrolliert los. »Das verzeiht Julia mir nie. Das verzeiht sie mir nie.«
Neil fasste ihren Arm, bremste sanft ihre Schritte und führte sie zu den Tennisplätzen. »Elvis!«, rief er, und seine Stimme eilte ihnen voraus, als sie an der Doppelreihe von Tennisplätzen vorbei zum vorderen Teil des Parks kamen. Sie passierten eine Gruppe Fußball spielender Männer und mussten zwei halbwüchsigen Jungen ausweichen, die ein knallorangefarbenes Frisbee hin und her warfen.
»Er ist nicht hier«, sagte Cindy, während sie den Blick über den Spielplatz vor den Tenniscourts schweifen ließ. Sie ging auf eine Gruppe junger Mütter zu, deren Kinder schaukelten. »Verzeihung, haben Sie vielleicht einen Wheaton-Terrier gesehen, etwa so groß?« Sie hielt ihre Hand gut einen halben Meter über den Boden. »Er ist apricotfarben«, fuhr sie fort, obwohl die Frauen bereits den Kopf schüttelten. Cindy rannte auf das Backsteingebäude zu, in dem die Winston Churchill Tennis Association
ihren Sitz hatte. »Ich kann es nicht glauben. Erst verliere ich Julia, und jetzt verliere ich auch noch ihren Hund.«
»Du hast niemanden verloren.« Neil warf einen Blick in das Toilettenhäuschen links neben dem kleinen Gebäude. »Wir finden ihn schon«, sagte er. »Elvis! Elvis!«
»Elvis!«, ließ Cindy sich wie ein Echo vernehmen.
»Ist das Ihr Hund?«, fragte jemand aus dem Hauptgebäude. Cindy blickte durch die offene Tür des Tennisclubs und sah einen einzelnen langen Raum mit einem langen Tresen auf einer Seite, einem Getränkeautomaten an der Rückwand und mehreren Reihen blauer Stühle um einen kleinen Fernseher, in dem die US-Open liefen. Zwei junge Männer in weißer Tenniskleidung lümmelten auf einer dunkelblauen Couch an der Wand, zwischen ihnen eine große Pizzaschachtel.
»Elvis!«, rief Cindy, sank auf die Knie, drückte den Hund an ihre Brust und spürte seine feuchte Zunge unter ihrem Kinn. »Du hast mich halb zu Tode erschreckt!«
»Ihr Hund steht wohl auf Pizza«, sagte einer der Jungen, und Elvis verlangte bellend Nachschub.
»Tut mir sehr Leid, wenn er Sie belästigt hat.« Cindy leinte Elvis eilig an und zerrte das störrische Tier hinter sich her. »Komm mit, du.«
»Elvis hat das Gebäude verlassen«, hörte sie einen der jungen Männer lachend sagen, als sie nach draußen trat.
Die Sonne knallte ihr direkt ins Gesicht, sodass sie die beiden Schwestern erst sah, als sie beinahe über sie stolperte. »Tut mir Leid«, entschuldigte sie sich. Wie oft hatte sie das in den vergangenen Tagen gesagt?
»Hat Julia ein Baby?«, fragte die Jüngere der beiden.
»Was?«
»Komm«, sagte das ältere Mädchen und zerrte am Arm seiner Schwester.
»Warte«, sagte Cindy. »Bitte. Wie kommst du darauf, dass Julia ein Baby hat?«
»Weil ich sie mit einem gesehen habe.«
»Komm, Anne-Marie. Wir müssen nach Hause.«
»Du hast Julia mit einem Baby gesehen?«, bedrängte Cindy sie weiter.
»Sie hat es in einem Kinderwagen geschoben. Ich habe sie gefragt, ob es ihr Baby ist, und sie hat gelacht.«
Cindy atmete lange und tief ein und versuchte, diese neue Information zu verdauen. Was hatte das zu bedeuten? Hatte es überhaupt etwas zu bedeuten? »Verdammt«, murmelte sie, als ihr erneut Ryans Gesicht vor Augen trat. »Der elende Mistkerl.«
Anne-Marie stockte der Atem. »Sie haben ein böses Wort gesagt.«
»Es tut mir Leid. Ich wollte nicht …«, setzte Cindy an, doch die beiden Mädchen flohen bereits aus dem Park.
»Was ist los?«, fragte Neil.
Cindy starrte ausdruckslos zum Horizont. Irgendwo über ihrem Kopf ertönte kreiselnd ein alter Kinderreim: Erst ein Kuss auf der Stiege, dann ein Kind in Julias Wiege .
»Hi, Cindy«, sagte Faith Sellick, als sie die Haustür
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