Bevor der Abend kommt
bewältigen. Wenn Julia nach Hause kam, vielleicht … »Warum schläft Duncan denn bei Mac?«
»Warum sollte er nicht bei Mac schlafen?«, gab Heather allzu schnell zurück.
»Nun, es ist ein langes Wochenende. Ich dachte bloß, dass ihr vielleicht irgendwas vorhabt.«
»Ärger im Paradies?«, fragte Leigh und nahm die beiden Scheiben Brot, die der Toaster ausgespuckt hatte.
»Alles bestens«, sagte Heather. »Für mich keinen Toast, danke.« Sie schlang den Rest Speck herunter und stellte ihren Teller ins Waschbecken. »Ich muss mich anziehen.«
»Es ist noch nicht mal acht«, sagte Leigh. »Wo willst du denn hin?«
»Vielen Dank für das Frühstück«, sagte Heather höflich. »Es war echt lecker.«
»Ist sie immer so auskunftsfreudig?«, fragte Leigh, nachdem Heather den Raum verlassen hatte.
»Sie ist es nicht gewöhnt, ins Kreuzverhör genommen zu werden.«
»Bist du nicht neugierig, wohin sie will? Kaffee?«, fragte Leigh im selben Atemzug.
»Ja und nein«, sagte Cindy. »Ja zu dem Kaffee.«
»Du warst schon immer viel zu nachgiebig mit ihnen.«
»Wie bitte?«
»Ich meine ja bloß, dass es nicht schaden kann, ein paar simple Fragen zu stellen.« Leigh goss eine Tasse ein und stellte sie zusammen mit dem getoasteten Rosinenbrot auf den Tisch. »Ehrlich, Cindy. Ich verstehe dich einfach nicht. Ich meine, die Privatsphäre der Kinder zur respektieren ist eine Sache, aber du musst immer übertreiben.«
»Ich muss immer übertreiben?«, wiederholte Cindy.
»Du bist beinahe pathologisch gerecht.«
» Pathologisch gerecht? Was soll denn das heißen?«
»Das soll heißen, dass man nicht gleichzeitig ihre Mutter und ihre Freundin sein kann.«
»Wovon redest du überhaupt?«
»Sprich bitte nicht in diesem Ton mit mir.«
»Dann hör auf, mich zu behandeln, als wäre ich eins deiner Kinder.«
»Ich will doch bloß helfen.« »Dann hab ich eine aktuelle Sondermeldung für dich – das ist nicht hilfreich.«
»Also, ich weiß ja, dass du dir Sorgen machst. Aber versuch nicht, mir ein schlechtes Gewissen zu machen, trotzdem du nervös bist. Nur weil ich ein paar höfliche Nachfragen habe.«
» Obwohl «, fauchte Cindy.
»Was?«
» Obwohl du nervös bist«, fuhr Cindy fort und spürte, wie ihr die Wut in den Hals stieg. »Du sagst schließlich auch nicht, ›trotzdem es regnet‹, oder? Nein, du sagst, ›obwohl es regnet‹, und genauso muss es heißen ›obwohl du nervös bist‹. ›Trotzdem‹ ist eine Präposition , keine Konjunktion.«
Leighs Kinnlade klappte nach unten. »Verbesserst du etwa meine Grammatik?«
Cindy senkte den Kopf. Es war noch nicht einmal acht Uhr morgens, und sie fühlte sich bereits erschöpft. Vielleicht sollte sie den Tag im Bett verbringen. Vielleicht sollte sie zur Kirche gehen und beten. Vielleicht sollte sie die Polizei löchern, auch wenn sie wusste, dass die das lange Wochenende abwarten wollte, weil sie zuversichtlich war, dass Julia von selbst wieder auftauchen würde.
Würde sie das tatsächlich?
Irgendetwas musste sie doch tun können, um nicht durchzudrehen. Irgendetwas, nur um nicht müßig herumzusitzen und bis Dienstag zu warten, schon gar nicht unter den kritischen Blicken von Supermom, die ihre Missbilligung mit jedem Satz und Augenaufschlag deutlich machte. »Hör mal. Ich komme hier schon alleine zurecht«, erklärte sie ihrer Schwester. »Du musst nicht hier bleiben.«
»Sei doch nicht albern. Natürlich bleibe ich.«
»Du musst dich doch um deine eigene Familie kümmern.«
»Du bist meine Familie.«
Tränen schossen Cindy in die Augen. »Wo ist sie, Leigh?«, fragte sie und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Hast du schon ihre Mailbox abgehört?«
Cindy war sofort auf den Beinen und beim Telefon. Warum hatte sie nicht selbst daran gedacht, die Mailbox ihrer Tochter zu überprüfen? Was war nur mit ihr los? »Ich weiß die Geheimzahl nicht«, flüsterte sie und vermutete,
dass Leigh die Geheimzahlen der Mailbox ihrer Kinder auswendig kannte.
Cindy hörte Heathers Schritte auf der Treppe. »Alles okay?«, fragte Heather, die sich inzwischen Jeans und einen hellblauen Pulli angezogen hatte.
»Heather«, sagte Leigh, »kennst du die Geheimzahl für die Mailbox deiner Schwester?«
Heather ratterte eine vierstellige Zahl herunter. »Ich muss los.« Sie küsste ihre Mutter auf die Wange. »Ich rufe später mal an. Versuch, dir keine Sorgen zu machen.«
Noch bevor die Haustür zugefallen war, gab Cindy die Geheimzahl für Julias Mailbox ein
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