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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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abgegeben wurden. Das Gewehrschloss hinterlässt charakteristische Rillen auf dem Projektil, wenn abgefeuert wird, und sie sind immer gleich bei einem Gewehr, aber bei jeder Waffe anders.«
    »Und das Opfer? Hat der Mann auch geschossen?«
    »Ja. Bei der Ruine liegen ein paar leere Patronenhülsen, die vermutlich von dem Toten stammen. Sie sind von derselbenSorte wie die Munition an seinem Gürtel, grüne Remington. Er hat auch drei rote Signalschüsse hier aus der Ruine abgegeben. Elías kannte die leeren Hülsen.« Sie deutete mit dem Kopf auf ihren Kollegen, der bei den Mauerresten kniete, und fügte dann hinzu: »Er sagt allerdings, dass niemand mehr solche Signalschüsse benutzt, weil das nicht gut für den Gewehrlauf ist. Daran hat der Mann in dieser Situation aber wohl keinen Gedanken verschwendet.«
    »Wo ist sein Gewehr?«, fragte Gunnar.
    Anna zuckte mit den Achseln. »Es ist verschwunden.«
    »Was hat das zu bedeuten?«
    »Vielleicht brauchte jemand eine Schrotflinte.«
    »Du meinst, dass der Mörder sie genommen hat?«
    »Wahrscheinlich.«
    Gunnar warf einen Blick in den Graben. »Hat der Mörder irgendwelche Spuren hinterlassen?«, fragte er.
    Anna zündete sich eine weitere Zigarette an, bevor sie antwortete: »Nicht direkt Spuren, aber das Gras hier im Graben ist platt gedrückt, und hinter einem Felsen da oben am Hang ist es ebenfalls niedergetrampelt, also genau dort, wo die leeren Patronen liegen. Wir haben bereits einen Spürhund angefordert. Vielleicht kann der ja verfolgen, wohin die Spuren von hier aus führen.«
    »Sonst noch etwas?«
    Anna deutete mit der Zigarette auf ihren Kollegen, der immer noch auf den Knien bei der Ruine herumkroch. »Wir sammeln die Schrotkörner ein, die auf dem Boden liegen, denn die können uns auch noch mehr über die Munition sagen, Größe und Art der Körner. Vielleicht können wir sogar die Anzahl der Schüsse genau festlegen.«
    Eine Weile herrschte Schweigen, und alle drei schienen tief in Gedanken versunken zu sein. Schließlich sagte Gunnar: »Eine sehr eigenartige Mordwaffe. Es ist gar nicht so einfach, jemandenmit einer Schrotflinte umzubringen, auch wenn man Magnum-Patronen verwendet. Das ist nur aus sehr geringer Distanz möglich. Mit einer Büchse könnte man jemanden aus viel größerer Entfernung erledigen.«
    Birkir antwortete: »Das deutet wahrscheinlich darauf hin, dass die Tat nicht von langer Hand geplant worden ist. Oder dass der Täter keine andere Waffe besitzt.«
    »Da ist aber noch die Sache mit dem Bein«, fuhr Gunnar fort. »Es ist kaum vorstellbar, dass eine derartige Verstümmelung durch Munition für die normale Vogeljagd entsteht. Bei ganz kurzer Entfernung ist die Schrotgarbe noch zusammengeballt, und um so größer ist die Durchschlagskraft. Das hätte aber dann nur ein Loch im Oberschenkel hinterlassen. Die Entfernung war so genau berechnet, dass die Streuung der Schrotkörner wie ein Motorsägeblatt gewirkt hat.«
    »Möglicherweise müssen wir Experimente mit einem solchen Gewehr machen, um genau zu ermitteln, aus welcher Distanz der Schuss abgegeben worden ist«, mutmaßte Anna.
    Gunnar blickte sich um. »Auf jeden Fall können wir davon ausgehen, dass ein direkter Tatvorsatz dahinter steckt«, konstatierte er. »Wir müssen herausfinden, ob außer dem Bauern hier noch irgendein anderer Grund hatte, mit dem Opfer abzurechnen.«
    Anna erwiderte: »Es deutet alles darauf hin, dass der Tote auf die Schüsse reagiert hat und bei diesem Schusswechsel unterlegen ist, ohne seinem Gegner auch nur eine Verletzung zuzufügen. Dort, wo der Täter auf der Lauer gelegen hat, ist kein Blut zu finden. Aber vielleicht hat er Schrotkörner abbekommen, die kleine Löcher in seiner Kleidung hinterlassen haben. Das solltet ihr bei der Ermittlung im Hinterkopf behalten.«
    Sie reichte ihnen eine Plastiktüte, in der sich Autoschlüssel, Taschenmesser und eine Lockpfeife für Gänse befanden.»Mehr haben wir nicht in seinen Taschen gefunden«, sagte sie und machte sich anschließend wieder an die Arbeit.
    Birkir und Gunnar beobachteten eine Weile, wie Anna die Leiche aus allen Perspektiven fotografierte. Das abgeschossene Bein und der Hund wurden ebenfalls mehrfach aufgenommen. Sie konnten sicher sein, dass ihr nichts an diesem Ort entgehen würde, aber es konnte womöglich den ganzen Tag in Anspruch nehmen, das Gelände akribisch abzusuchen, vielleicht sogar länger.
    Sie machten kehrt und gingen zu den Autos zurück. Da die Sonne bereits niedriger

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