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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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dick geworden, und dazu trug das Bier nicht wenig bei. Diese Überlegungen endeten damit, dass er ein paar Teelöffel Kakaofertigpulver in eine Tasse gab und kochendes Wasser darüber goss, und dazu noch etwas Milch. Anschließend schmierte er sich drei Scheiben Brot und belegte sie dick mit Käse.
    Während Gunnar die Butterbrote verschlang und den heißen Kakao schlürfte, hatte er Zeit, einen Blick in die Tageszeitung zu werfen. Der Mord im Dalir-Bezirk nahm die ganze Titelseite und drei Innenseiten ein. Fotos von den Hofgebäuden in Litla-Fell und den Mitarbeitern der Kriminalpolizei bei der Arbeit illustrierten den Text. Die Fotos mussten mit einem starken Zoomobjektiv gemacht worden sein, denn der Polizist aus Búðardalur hatte dafür gesorgt, dass niemand in die Nähe des Mordschauplatzes gelangen konnte. Auf einem der Bilder sah Gunnar sich selber, seine Figur war unverkennbar.
    Der Mord, der heute verübt worden war, würde in den nächsten Tagen weitere fette Schlagzeilen in den Zeitungen nach sich ziehen. Gunnar beschloss, solange dieser Zustand anhielt, die Presse einfach zu ignorieren. Es ging ihm so ähnlich wie einem Sportfan, der alle Sportseiten durchforstet, wenn seine Mannschaftsiegreich ist, aber schnell weiterblättert, wenn sie verliert.
    Gunnar stand auf, stellte Milch und Käse in den Kühlschrank zurück und starrte eine Weile begehrlich auf die Bierflasche, machte den Kühlschrank dann aber zu und ging in das Schlafzimmer.

Samstag, 23. September

06:30
    B irkir erwachte ein paar Sekunden vor dem Klingeln des Weckers. Er stellte ihn ab und warf einen Blick aus dem Fenster. An den Pappeln im Garten konnte man sehen, dass der Wind sich weitgehend gelegt hatte. Die nassen Scheiben ließen allerdings darauf schließen, dass es immer noch regnete. Das Thermometer zeigte fünf Grad, und es begann zu dämmern.
    Birkir frühstückte nie ausgiebig, sondern nahm nur ein Glas Orangensaft, eine Scheibe Toast und eine Tasse Tee ohne Milch und Zucker zu sich, starken Tee, den er in einem speziellen Sieb zubereitete. Noch während des Frühstücks zog er sich seinen Jogginganzug an und schlüpfte in seine Trainingsschuhe. Kurz vor sieben verließ er das Haus und joggte dann die nächste Stunde ruhig durch das Þingholt-Viertel bis zu Suðurgata, auf der er in südlicher Richtung bis zum Meer gelangte. Beim Inlandflughafen angekommen, hatte er gerade sechs Kilometer hinter sich, als er eine SMS erhielt.
    »Besprechung um 9.«
    Mehr nicht, aber das reichte, die SMS kam von Magnús. Birkir hatte natürlich angesichts von zwei ungelösten Mordfällen schon mit einem Arbeitswochenende gerechnet. Es war aber erst zwanzig vor acht, also hatte er noch genug Zeit. Deswegen nahm er jetzt Kurs auf das Fossvogur-Viertel und machte sich erst um zehn nach acht auf den Rückweg. Das Tempo verschärfend schaffte er die letzten beiden Kilometer in knapp acht Minuten.
    Birkir duschte rasch, als er nach Hause kam, rasierte sichund zog sich an, wie gewöhnlich hing der am Abend zuvor gebügelte Anzug auf dem Bügel am Schrank neben dem Bügelbrett. Er hielt ein graues Hemd an den Anzug und wählte anschließend eine Krawatte, die zu beidem passte. Es bedeutete ihm außerordentlich viel, immer einwandfrei gekleidet zu sein, denn wegen seines fremdartigen Aussehens registrierte er häufig eine bestimmte Art von Misstrauen bei Menschen, die ihn nicht kannten, manchmal sogar regelrechte Antipathie. Ein gutes Erscheinungsbild schien solche Vorurteile etwas zu mildern, und deswegen nahm er die Mühe, die damit verbunden war, in Kauf. Es ging nicht darum, sein Leben von der Borniertheit und Engstirnigkeit anderer dominieren zu lassen; es erleichterte ihm schlicht und ergreifend die Arbeit, und außerdem fühlte er sich auch viel besser, wenn er gut angezogen war.

09:00
    D ie Fotos an den Wänden im Konferenzraum mehrten sich, der Unterschied zwischen den Aufnahmen im Dalir- und im Rangárvellir-Bezirk bestand vor allem darin, dass die einen bei Tageslicht aufgenommen worden waren und die anderen im Finsteren bei greller Scheinwerferbeleuchtung. Auf beiden Serien war aber eine übel zugerichtete Leiche zu sehen, und das Blut war violett.
    Bis auf eine Ausnahme war das Ermittlungsteam unverändert geblieben. Anna hatte heute einen freien Tag, und statt ihrer war ihr Kollege Elías anwesend.
    Er verschwendete nicht viele Worte auf die Schilderung des Schauplatzes: »Da war eine einzige Matschbrühe, und es war unmöglich, sich das

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