Bevor der Morgen graut
das Auto niederprasselte.
»Wie heißt die Leiche?«, fragte Gunnar, der sein Notizbuch gezückt hatte.
»Friðrik Friðriksson.«
»Ist noch mehr bekannt?«, fragte Gunnar nach.
»Dieser Friðrik hat sein Auto etwa fünf Kilometer weitersüdlich abgestellt. Von dort ist er etwa einen Kilometer zu einem bekannten Gänsestrich gelaufen und hat sich in einem Graben versteckt. Die Lockvögel hatte er ganz in der Nähe aufgestellt, wir haben sie gefunden. In diesem Graben wurde zum ersten Mal auf ihn geschossen, und er war gleich verwundet, denn es gab ziemlich viele Blutspuren an dieser Stelle. Sein Gewehr lag auch dort, was wohl bedeutet, dass er Hals über Kopf die Flucht ergriffen und versucht hat, zum nächsten Hof zu laufen. Die ersten Fußabdrücke von ihm sind tief und liegen weit auseinander. Der Angreifer ist hinter ihm her gegangen oder besser gerannt. Die Suchhunde haben die Spur gefunden und bis hierher verfolgt, wo wir die Leiche gefunden haben. Friðrik ist aus ganz kurzer Entfernung erschossen worden, als der Mörder ihn zum Schluss eingeholt hatte. Er liegt immer noch dort, und nichts ist angerührt worden. Wir warten auf stärkere Scheinwerfer, um besser arbeiten und ordentliche Fotos machen zu können.«
»Wieso wurde eigentlich so schnell nach ihm gesucht?«
»Irgendeiner von Friðriks Angehörigen meldete sich gegen Mittag beim Notruf, weil er nichts von sich hatte hören lassen und nicht ans Handy ging. Nach diesem Mord im Dalir-Bezirk machen sich die Leute Gedanken, und zwar offensichtlich nicht ohne Grund. Wir haben dann ziemlich bald sein Auto gefunden und nicht weit davon entfernt sein Gewehr. Grund genug, eine groß angelegte Suche zu starten.«
Þorlákur knöpfte seinen Regenmantel auf, holte eine Digitalkamera aus der Jackentasche und schaltete sie ein.
»Hier in der Erde müssten wir eigentlich gute Fußabdrücke des Täters finden«, bemerkte Gunnar.
»Ich weiß nicht«, sagte Þorlákur, »hier sind vier Suchtrupps den Hunden gefolgt, die die Spur verfolgten, und die haben auch rings um die Leiche alles zertrampelt.«
Er reichte die Kamera nach vorn, damit Birkir und Gunnardas Display sehen konnten. »Hier, schaut mal, so sieht es da aus.«
Auf dem Bild konnte man gut den schweren Boden erkennen. Der Mann lag auf dem Bauch, und auf seinem Rücken sah man zwei große schwarze Löcher. Þorlákur ging einige Bilder mit demselben Motiv durch. Rund um die Leiche herum war alles ein einziger Morast mit tiefen Fußspuren.
»Er ist aus allernächster Nähe erschossen worden«, sagte Gunnar.
»Ja, der eine Schuss kam aus einigen Metern Entfernung, der hat ihn wohl niedergestreckt, und der zweite Schuss hat ihn im Liegen getroffen. Der Mörder hat direkt neben ihm gestanden.«
Birkir starrte auf das Bild, das die Kamera jetzt zeigte. »Ist das da etwa ein Loch in der obersten Stoffschicht des Anoraks?«, fragte er und deutete mit dem kleinen Finger auf das Display, wo man neben den großen Wunden einen kleinen weißen Fleck sehen konnte.
»Darauf habe ich noch gar nicht geachtet«, sagte Þorlákur.
»Es wird sich herausstellen«, sagte Birkir. »Hast du seine Brieftasche?«
»Ja.« Þorlákur griff in die andere Tasche und holte eine Tüte heraus.
Birkir zog sich dünne Gummihandschuhe an und nahm die völlig durchnässte Brieftasche aus der Tüte. Er öffnete sie und kontrollierte den Inhalt. Karten, Geldscheine und Quittungen.
Birkir sagte: »Hier ist eine Quittung von der Tankstelle in Ártúnshöfði, heute Morgen um 4.25 Uhr.«
Gunnar sah sofort einen Zusammenhang. »Hör zu«, sagte er, »genau wie gestern. Kann es sein, dass der Mörder dort seine Opfer abpasst?«
»Vielleicht«, entgegnete Birkir und richtete noch eine Fragean Þorlákur: »Lässt sich feststellen, ob der Täter sein Auto hier irgendwo in der Nähe abgestellt hat?«
»Dazu muss es erst hell werden«, antwortete Þorlákur. »Aber ich möchte euch noch auf einen anderen und älteren Fall hinweisen, der in diesem Zusammenhang möglicherweise noch einmal aufgerollt werden müsste.«
»Was für ein Fall ist das?«, fragte Gunnar.
Þorlákur räusperte sich ein paar Mal, bevor er mit seinem Bericht begann. »Vor gut einem Jahr kam ein junger Mann ins Krankenhaus von Selfoss, der hier in der Gegend Gänse gejagt hatte. Er war an der Brust und im Gesicht von einem Schuss getroffen worden, wobei die Kleidung ihn geschützt hatte, aber einige Schrotkörner waren ins Gesicht und ins Auge eingedrungen. Der
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