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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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Barber und Rodrigo begann er langsam, sich zu entspannen.
    Seine Gedanken kreisten um die Mordfälle, die es aufzuklären galt. Drei Morde innerhalb von vier Tagen, und sie waren seither kaum einen Schritt weitergekommen. Er bezweifelte, dass die Namenslisten sie weiterbringen würden. Es bestand zwar die Möglichkeit, dass der Mörder eines der Opfer persönlich gekannt hatte, aber bestimmt nicht alle. Es war offensichtlich seine Absicht, die Polizei zu verwirren, das spürte Birkir. Zwischen diesen Morden bestand zwar kein logischer Zusammenhang, sie waren aber trotzdem präzise geplant. Er befürchtete, dass dahinter ein brillanter, aber extrem gestörter Geist steckte. Diesen Mörder würden sie nur zu fassen bekommen, wenn er es selber darauf anlegte. Oder möglicherweise aus purem Zufall und wenn die Mitglieder des Ermittlungsteams gleichzeitig richtig kombinierten. Darin bestand wahrscheinlich die einzige Hoffnung.
    Birkir versuchte, sich ein Bild von diesem Widersacher zu machen, ein Bild, das er nur für sich schuf, ohne gegenüber den anderen darüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Das konnte ihm dabei helfen, sich zu konzentrieren. Er legte sich alles Punkt für Punkt zurecht.
    Alter? Der Mörder war mit Sicherheit nicht sehr alt. Wohl kaum über vierzig, wahrscheinlich um die dreißig.
    Körperliche Konstitution? Auf jeden Fall musste er ausgesprochensportlich sein. Laut der Zeugenbeschreibung von heute war er groß.
    Psychische Konstitution? Rastlos, reaktionsschnell, aber nie übereilt handelnd.
    Interessen? Entweder ein geübter Jäger oder ein fanatischer Vogelschützer – oder keines von beiden.
    Frühere Delikte? Höchstwahrscheinlich nicht im Strafregister zu finden. Möglicherweise lag eine psychische Krankheit vor.
    Ledig? Ja, wahrscheinlich. Wohl kaum ein Mann mit Familie. Möglicherweise geschieden.
    Beruf? Geregelte Büroarbeit von neun bis fünf nicht sehr wahrscheinlich. Vielleicht freiberuflich tätig.
    Nationalität? Isländer, kennt sich hervorragend im Land aus.
    Geschlecht? Männlich … Birkir stutzte. War das wirklich so sicher? Konnte der Mörder nicht auch eine Frau sein?
    Mit diesen Gedanken beschäftigte er sich, während die CD spielte. Als die Musik verstummte, öffnete er die Balkontür und sog tief die Abendluft ein. Aus dem Restaurant im Nachbarhaus drangen schwache Essensgerüche zu ihm herauf, und mit einem Mal merkte er, wie hungrig er war. Er hatte das Abendessen vergessen.

21:00
    E s war die erste Mordermittlung, an der Dóra teilnahm. Und nun waren innerhalb von vier Tagen bereits drei Morde passiert. Das war alles andere als ein guter Start, und irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, es läge zum Teil an ihr. Sie und ihre Kollegen hatten die Aufgabe, diesem Treiben ein Ende zu machen, aber die Kriminalbeamten wirkten in dieserAuseinandersetzung so vollkommen hilflos. Was machten sie eigentlich falsch?
    Nach dem Besuch bei Tómas ging sie noch einmal ins Büro. Ein Anruf bei Ólafurs Witwe bestätigte die Aussage des Rechtsanwalts. Sie gab ohne weiteres zu, dass sie die Nacht mit ihm verbracht hatte. Sie hatte nichts Besseres vorgehabt.
    Dóra war es etwas peinlich, dass sie sich bei dem Gespräch mit Tómas nicht besser unter Kontrolle gehabt hatte. Es musste ja nicht immer alles zur Sprache gebracht werden, auch wenn das Gesagte der Wahrheit entsprach, das hatte sie eigentlich schon früh gelernt. Símon hatte sie ordentlich zusammengestaucht, als sie wieder auf der Straße standen. Ausgerechnet er beschimpfte sie wegen unprofessioneller Vorgehensweise, wie er es nannte. Außerdem fragte er sie, ob sie sich tatsächlich die DVD angeschaut hatte, und schien enttäuscht zu sein, als sie zugab, dass das nicht der Fall war. Was sie über Tómas’ Leistungen im Bett gesagt hatte, war reine Spekulation gewesen.
    Nun denn, Dóra hatte nicht vor, sich von solchen Arschlöchern den Abend verderben zu lassen. Es gab genug, womit sie sich befassen oder worüber sie nachdenken konnte.
    Dóra stammte aus Bolungarvík und war Nummer fünf in einer Reihe von elf Geschwistern. Das bedeutete, dass ihr sehr früh klar geworden war, dass man ein gewisses Maß an Entschlossenheit an den Tag legen musste, wenn man sich behaupten wollte. Auf diese Weise hatte sie gelernt, selbstständig und verantwortungsbewusst zu sein. Und von ihren älteren und jüngeren Brüdern hatte sie auch gelernt, sich körperlich durchzusetzen. Das Leben im einsamen Nordwesten Islands war nicht einfach

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