Bevor der Morgen graut
konnte. Es würde sich bald herausstellen, ob dieser Fall mit dem Ganter in Verbindung stand.
In der Bar war es ruhig, nur ein paar Stammkunden waren anwesend, und im oberen Stock war irgendeine geschlossene Gesellschaft. Gunnar klopfte zweimal auf den Tresen, und der Kellner stellte ihm sein Holsten und den Kuemmerling hin.
»Bittischoin«, versuchte sich der Kellner auf Deutsch.
»Besten Dank, du Trottel«, entgegnete Gunnar ebenfalls auf Deutsch, nahm die Gläser und setzte sich zu Emil Edilon an den Tisch, der eine Schachpartie mit sich selber austrug. Dann blickte er sich vorsichtig um.
»Bleib locker«, sagte Emil, ohne hochzublicken. »Der rothaarige Journalistendepp ist im Norden, um sich dieses Baggerloch anzusehen, wo sie die Leiche gefunden haben.«
Gunnar kippte den Bitter runter und zog eine Grimasse. »Dann ist es also in den Nachrichten gewesen?«, fragte er. »Ich hatte keine Ahnung, dass es eine Pressekonferenz gegeben hat«, fügte er hinzu.
»Nein, in den Nachrichten ist nichts gekommen. Der Blaue Baron hat einen Bruder, der in Akureyri lebt und manchmal den Leichenwagen kutschiert, und er hat sich mit dem Rothaarigen in Verbindung gesetzt. Bestimmt kassiert er dafür ab.«
»Wahrscheinlich. Aber ist das nicht vielleicht etwas, was du in deinem Krimi verwenden kannst? Leute, die irgendwo in der Pampa Löcher für Strommasten ausbaggern oder so was, stoßen auf eine Leiche.« Gunnar trank einen Schluck Bier.
Emil blickte ihn mit verächtlichem Gesichtsausdruck an.»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass man so einen verrückten Zufall in einen Krimi einbauen kann? Das kann man doch einem intelligenten Leser nicht zumuten, schon gar nicht so was Unwahrscheinliches wie einen Leichenfund unter solchen Umständen.«
»Aber wenn es sich in der Wirklichkeit so zugetragen hat, müsste es doch auch in einem Krimi funktionieren.«
Emil Edilon schüttelte den Kopf. »In einem Roman geht es nicht darum, was passieren kann, sondern um das, was wahrscheinlich wirkt. Hoffentlich bist du wenigstens als Bulle fit – als Schriftsteller bist du eine Niete. Gibt es schon eine weitere Frage?«
»Ja. Endlich eine einfache. Was war »Törichter Männer Rat«? Die Antwort ist ein Roman von Einar Kárason.«
Emil sog hörbar den Atem ein. »Nein, nein, nein«, erklärte er. »Das ist betimmt eine Finte. Das steht nämlich auch in der Laxdæla saga .«
»Wo steht das da?«, fragte Gunnar argwöhnisch.
»Olaf Höskuldsson, Olaf Pfau genannt, hat gesagt …« Emil überlegte kurz, bevor er fortfuhr: »Ich will, dass jetzt diejenigen entscheiden, die verständiger sind, denn ich glaube, dass törichter Männer Rat umso weniger taugt, je mehr davon gegeben wird.«
»Um was für einen Rat ging es da?«
»Sie waren auf einem Schiff unterwegs nach Irland und hatten Nebel und ungünstigen Wind. Als der Nebel sich lichtete, konnten sie sich nicht auf den Kurs einigen, und da verlangten einige, dass es einen Mehrheitsentscheid geben sollte. In dieser Situation hat Olaf Pfau diese Worte gesprochen, und Örn, der Steuermann, durfte allein den Kurs bestimmen.«
»Und was soll ich hinschreiben?«
»Die Kursbestimmung nach Irland, das war törichter Männer Rat.«
Gunnar nahm nachdenklich einen weiteren Schluck Bier. »Okay, meinetwegen«, sagte er und leerte anschließend das Glas auf einen Zug. »Wie wär’s mit einer Schnellpartie?«, fragte er dann.
»Wer verliert, zahlt die nächste Runde«, entgegnete Emil und begann, die Figuren aufzustellen.
»Einverstanden«, sagte Gunnar, und zehn Minuten später ging er zum Tresen, um die nächsten Gläser für sie zu holen.
»Ach nee, wen haben wir denn da, ist das nicht unser fetter Bulle? Bist du immer noch hinter Kindern und alten Leuten her?«, hörte er jemanden sagen. Er blickte nach rechts und sah, dass Kolbrún Guðjónsdóttir neben ihm stand.
»Ach nee, ist das Landei wieder in der Stadt«, sagte er zögernd.
Sie lächelte schwach. »Ich lass dich schon in Ruhe«, sagte sie. »Du bist ein armes Schwein.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und wandte ihre Aufmerksamkeit ihrem Nachbarn zur Rechten zu.
»Stimmt genau«, sagte Gunnar und bestellte die nächste Runde.
Dienstag, 26. September
07:40
G unnar erschien zeitig genug im Dienst, um die Antwort auf die dritte Frage abzuschicken. Er tippte die Antwort ein: Die Kursbestimmung nach Irland war törichter Männer Rat. Olaf Pfau hat das zu den Männern gesagt, die den Kurs nach Irland bestimmen wollten.
Er
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