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Bevor der Morgen graut

Bevor der Morgen graut

Titel: Bevor der Morgen graut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Arnar Ingolfsson
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Konto, und diese Fälle haben nichts miteinander zu tun.«
    Er starrte auf den Bildschirm und las die Nachricht noch einmal. »Mit dieser Frage kann ich überhaupt nichts anfangen«, sagte er, während er auf seine Uhr blickte. »Wir haben Zeit bis vier Uhr.«
    »Ich versuch’s mal«, erklärte Dóra, und Gunnar machte ihr Platz. Dóra war sehr viel versierter am Computer als er. Sie setzte sich hin, kopierte den Satz und gab ihn mit Anführungszeichen in die Suchmaschine ein, aber ohne Erfolg.
    Gunnar schaute wieder auf die Uhr. »Es ist wahrscheinlich noch zu früh, um Emil anzurufen. Er wird sauer, wenn ich ihn zu früh wecke. Ich geb ihm noch eine Stunde.«

12:15
    K urz nach Mittag betrat Birkir das Mehrfamilienhaus am Kleppsvegur. Er sah Hjördís’ Namen am Briefkasten, wo auch angegeben war, in welchem Stock sie wohnte. Er hob die Hand, um anzuklingeln, unterließ es dann aber. Stattdessen drückte er auf die Klingel von Friðrik Friðriksson und seiner Familie.
    Als die Stimme der Witwe in der Gegensprechanlage erklang, nannte Birkir seinen Namen. Kurze Zeit später befand er sich in der Wohnung. Er störte die Familie beim Essen. Die Kinder saßen am Tisch und aßen gekochten Schellfisch mit Kartoffeln. Der Sektenführer präsidierte am Kopfende des Tischs und hatte sich die Serviette in den Kragenausschnitt gestopft. Vor ihm befanden sich ein voller Teller und eine aufgeschlagene Bibel.
    Birkir wünschte guten Appetit und zeigte der Witwe dasFoto von Hjördís und ihren beiden Freunden. »Kennst du diese Frau?«
    Die Witwe nickte: »Ja, sie wohnt hier im Haus.«
    »Ihr Name stand auf der Liste als … als Adressatin von Fürbitten«, sagte Birkir. »Was immer das bedeuten mag. Hatten du und dein Mann Kontakt zu ihr?«
    Die Witwe sah den Sektenführer an. Der stand auf, zog sich die Serviette aus dem Kragen und legte sie auf den Tisch. Dann nahm er die Bibel zur Hand, trat zu ihnen und warf einen Blick auf das Foto, das Birkir in der Hand hielt.
    »Diese Frau wohnt hier, das ist richtig«, sagte er.
    Birkir sah die beiden nachdenklich an. »Besitzt du eine Schrotflinte?«, fragte er plötzlich.
    »Ich?«, fragte der Sektenführer.
    »Ja, besitzt du eine Schrotflinte?«
    »Nein.«
    »Wo warst du am vergangenen Freitagmorgen?«
    »Meinst du, als Friðrik, Gott hab ihn selig, ermordet wurde?«
    »Ja.«
    »Gott steh uns bei, wie kannst du so etwas fragen?«
    »Wo warst du?«
    »Ich war bei mir zu Hause.«
    »Kann das jemand bezeugen?«
    »Nein, das wohl nicht. Ich bin nicht verheiratet und lebe allein.«
    »Ach so«, sagte Birkir und schaute wieder auf das Bild.
    »Seid ihr mit dieser Frau nicht ausgekommen?«, fragte er dann.
    Der Sektenführer antwortete leise: »Sie sind durchaus gut mit ihr ausgekommen, aber diese junge Frau befindet sich auf Irrwegen in ihrem Leben. Statt den Weg zu beschreiten, den Gott uns vorgegeben hat, lebt sie in Sünde und Wollust. Sieteilt das Lager mit einer anderen Frau und hat geschlechtlichen Verkehr mit ihr.«
    »Und was hat das mit dieser Familie zu tun?«, fragte Birkir und sah die Witwe an.
    Es war aber wieder der Sektenführer, der antwortete: »Die Frau hat mit einer anderen Frau vor aller Augen, vor Kindern und Erwachsenen, Liebkosungen ausgetauscht.«
    »Inwiefern?«
    »Sie haben sich umarmt und geküsst.«
    »Ist daran etwas falsch?«
    »Sie küssen sich mit den Lippen … und der Zunge. Das ist Sünde … und Gotteslästerung.«
    »Aha. Und wer war Zeuge dieser … Küsse?«
    »Friðrik und die Kinder. Das Schlimmste war natürlich, dass die Kinder das mitansehen mussten.«
    »Konnte ihr Vater ihnen nicht erklären, dass erwachsene Menschen so etwas machen, wenn sie einander gern haben?«
    »Das ist kein normales Sich-Gernhaben, sondern schändliche Wollust unter Leuten, die widernatürliche Unzucht betreiben. Der Verstorbene bat mich darum, der Frau ins Gewissen zu reden.«
    »Und wie verlief das?«
    »Die Frau weigerte sich, dem Wort und den Segnungen des Herrn Gehör zu schenken. Sie verwünschte meine Botschaft und führte gotteslästerliche Reden.«
    Schweigen herrschte, während Birkir auf weitere Erklärungen wartete. Als sie nicht erfolgten, fragte er: »Kam es deswegen zu irgendwelchen Auseinandersetzungen zwischen Friðrik und dieser Frau?«
    »Nein. Soweit ich weiß, haben sie nie miteinander geredet. Ich bin in den vergangenen Wochen einige Male hierher gekommen, und wir haben vor den verschlossenen Türen dieser Frau Gott um Gnade angerufen und den

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