Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
führen.“
„Ich mache das, weil ich dein Bruder bin und weil du so schrecklich unglücklich bist.“ Rourke starrte in sein Glas. „Ich möchte helfen. Ich weiß bloß nicht, wie ich das anstellen soll.“
Rick sah ihm in die Augen und sagte nachdenklich. „Du bist Arzt. Vielleicht kannst du ja wirklich helfen. Leigh Anne ist unglücklich, Rourke. Sie ist von Melancholie erfüllt. Ich mache mir Sorgen um sie, denn dieser Unfall hat einen völlig anderen Menschen aus ihr gemacht. Sie trinkt, sie nimmt Laudanum ein. Ich weiß mir keinen Rat mehr. Sie weigert sich, mit mir über irgendetwas zu reden. Sie gibt sich sogar alle Mühe, mir aus dem Weg zu gehen.“
„Es kann eine Weile dauern, bis sie sich daran gewöhnt hat, dass sie nicht mehr gehen kann. Vielleicht findet sie sich aber auch niemals damit ab. Leider erholen sich nicht alle Menschen von einer Tragödie, die ihnen widerfahren ist.“
Rick lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten und schnaubte aufgebracht. „Ich weiß schon jetzt, dass sie sich nicht davon erholen wird. Sag mir nicht, ich solle anders darüber denken und weiter hoffen. Sie ist keine starke Frau, sie hat nie für irgendetwas kämpfen müssen. Und die Wahrheit ist, dass ich mir auch alle Mühe gebe, ihr aus dem Weg zu gehen.“ Plötzlich vergrub er das Gesicht in seinen Händen.
Sein Bruder war am Boden zerstört, doch der Grund war nicht die Last, die seine Arbeit ihm aufbürdete, sondern die Last seiner Ehe und vermutlich auch die Tatsache, dass er Francesca Cahill verlieren würde. „Wieso hast du das Gefühl, sie meiden zu müssen? Sie ist deine Ehefrau.“
„Sie hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie sich von mir bedrängt fühle, wenn ich nur mein eigenes Zuhause betrete.“ Rick hob den Kopf und sah vor sich hin. „Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich ihr nie vergeben können, dass sie mich verlassen hatte. Wusstest du, dass sie mich seinerzeit bestochen hat, damit ich mich mit ihr versöhne?“
„Nein, davon ist mir nichts bekannt“, antwortete Rourke überrascht. „Ich kenne Leigh Anne nicht besonders gut. Sie verließ dich, kurz nachdem ihr geheiratet hattet. Niemand kann dir deine Wut auf ihr Verhalten verdenken. Aber sie kehrte zu dir zurück und kämpfte, um über Francesca zu siegen.“
„Dummerweise ja.“
„Und was wirst du nun tun?“, fragte Rourke behutsam.
„Ich weiß es nicht.“ Er trank das Glas aus und knallte es auf den Schreibtisch. „Willst du wissen, was das Schlimmste ist?“
„Ja. Sag es mir.“
„Wenn ich sie manchmal ansehe, empfinde ich nur Schuld.“
„Warum um alles in der Welt empfindest du Schuld?“
Es dauerte eine Weile, ehe Rick antwortete. „Ich war wütend darüber, dass sie zurückgekehrt war. Ich verhielt mich ihr gegenüber grausam, ich versuchte sie zu vergraulen. Ich wusste genau, was ich ihr antat. Und in gewisser Weise bin ich für ihren Unfall verantwortlich.“
Rourke schnappte ungläubig nach Luft. „Sie wurde von einer Kutsche überfahren! Damit hattest du nichts zu tun, und verantwortlich kannst du dafür schon gar nicht sein. Mein Gott, Rick, ich kenne keinen Mann, der so logisch und vernünftig denkt wie du! Aber in diesem Fall lässt dich deine Logik hoffnungslos im Stich.“
„Ist das wahr?“ Rick wandte sich ab, Schweigen machte sich breit.
Rourkes Gedanken überschlugen sich. Wie konnte diese Pattsituation gelöst werden? Wenn Rick recht hatte, würde Leigh Anne nie wieder die Frau sein, die sie einmal gewesen war. Er fürchtete, dass ihr die Kraft fehlte, jetzt noch für ihre Ehe zu kämpfen. Es machte ihm sogar noch mehr Angst, was das für seinen Bruder bedeuten mochte.
„Doch nichts davon ist eigentlich wichtig, nicht wahr?“, unterbrach Rick seine Überlegungen. „Ich bin ihr Ehemann, bis dass der Tod uns scheidet, ganz gleich, ob ich sie hasse oder liebe, sie begehre oder mich vor ihr fürchte. Es ist einfach egal. Ich muss mich um sie kümmern – denn wer tut das sonst, wenn nicht ich?“
Rourke sah ihn ernst an. „Könnte ich einen Aufenthalt in einem Sanatorium oder einem Krankenhaus vorschlagen? Wenn Leigh Anne eine Abhängigkeit von Alkohol und Laudanum entwickelt, dann muss sie ärztlich behandelt werden. Und sie kann unter diesen Bedingungen keine gute Mutter für die beiden Mädchen sein.“
„So etwas könnte ich niemals tun.“
„Eine Einweisung wäre sicher in ihrem Interesse“, sagte Rourke vorsichtig. „Und ich rate dir, wirklich ernsthaft darüber
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