Bevor der Tod euch scheidet (German Edition)
abzunehmen, während sie durchs Zimmer ging, und sie mal hier, mal da achtlos hinzulegen. Auf dem Nachttisch wurde sie auch nicht fündig, ebenso wenig auf dem Tisch am Sofa vor dem Kamin. Schließlich begab sie sich zu ihrem antiken Sekretär und entdeckte dort die kleinen Schmuckstücke, die in grünem Feuer loderten.
Abrupt blieb sie stehen.
Die Ohrringe lagen auf einem großen Umschlag, der mit Großbuchstaben beschriftet war. Francesca stürmte zum Sekretär. Nur ein Idiot würde diese Schrift nicht wiedererkennen. Der Umschlag war an sie adressiert, darunter stand ein einzelnes Wort.
EILT
Sie ließ sich auf den Stuhl vor dem Sekretär sinken und griff nach dem Umschlag. Die Ohrringe gerieten ins Rutschen und landeten auf der Schreibfläche, doch davon nahm sie keine Notiz. Mit dem Fingernagel öffnete sie den Umschlag, darin fand sich ein Blatt von der gleichen Farbe und Qualität wie bei der ersten Nachricht. Sie zog das Blatt heraus und faltete es mit zitternden Händen auseinander.
Wenn Sie das Porträt zurückhaben wollen, kommen Sie morgen um 14 Uhr zur Brücke im Central Park. Bringen Sie 75.000 Dollar mit.
Die lange erwartete Lösegeldforderung war da!
Am liebsten hätte Francesca das Abendessen mit der Familie ausgelassen, doch das war schlichtweg unmöglich; ihre Mutter wäre unter keinen Umständen damit einverstanden gewesen. Stattdessen saß sie da und tat so, als würde sie interessiert den Tischgesprächen lauschen, während sie über die Tatsache nachdachte, dass sie umgehend 75.000 Dollar beschaffen musste. Andrew und Evan diskutierten über den schrecklichen Aufstand in Haiti, und Connie sprach mit Julia über die Vorzüge einer neuen Modistin. Derweil überschlugen sich Francescas Gedanken. Warum war diese Geldforderung nicht früher bei ihr eingegangen? Und welchen Zusammenhang gab es zwischen dem Schreiben und der Tatsache, dass man sie am Tag ihrer Hochzeit eingesperrt hatte? Irgendetwas stimmte da nicht.
Und wie sollte sie an so viel Geld kommen? Konnte sie es wagen, ihren Vater zu fragen? Nein, unmöglich. Erstens würde ihr Andrew das Geld nicht geben, zweitens hätte er tausend Fragen, was sie mit einer solchen Summe anfangen wollte.
Hart dagegen würde anstandslos den Betrag zur Verfügung stellen. Ihr wurde bewusst, dass sie selbst jetzt noch bedingungslos auf ihn zählen konnte. Sie war versucht, ihn umgehend aufzusuchen und ihn zu bitten, ihr das Geld zu leihen, aber bis sie schließlich mit dem Abendessen fertig waren, stand für sie fest, dass sie vor dem morgigen Tag nichts erreichen würde.
Unterdessen begann sie zu überlegen, wer als Erpresser infrage kommen mochte. Moore konnte sie ausschließen, denn wäre das Bild in seinem Besitz gewesen, hätte er es sofort herausgegeben, um die von ihr angesprochene Belohnung zu kassieren. Was war mit Chief Farr? Er wusste, ihr Porträt konnte sie in arge Schwierigkeiten bringen, und sie hielt ihn für fähig, sie zu erpressen, ohne tatsächlich über das Gemälde zu verfügen. Aber zu welchem Zweck? Er würde seinen Job beim NYPD nicht aufs Spiel setzen, jedenfalls nicht für einen solchen Betrag. Zweifellos kassierte er die Summe bequem in Form von Bestechungsgeldern.
Damit blieben zwei mögliche Verdächtige: Solange Marceaux und Bill Randall. Marceaux wäre ganz sicher raffgierig genug, um sie zu erpressen, und sie traute der Bordellchefin zu, dass sie das Geld einsteckte und dann das Bild dennoch öffentlich präsentierte, um Francesca bloßzustellen.
Bei Bill Randall musste sie erst noch Gewissheit bekommen, dass er mit dem Diebstahl nichts zu tun hatte. Das bedeutete herauszufinden, ob sein Alibi vielleicht nur konstruiert war. Morgen früh würde sie gemeinsam mit Bragg Randalls Mutter Henrietta befragen und dann sehen, was der Nachmittag brachte.
Auf Bragg konnte sie sich verlassen, aber er sah nach dem Polizisten aus, der er auch war, zudem war er in der ganzen Stadt bekannt wie ein bunter Hund. Wenn sie ihn in den Central Park mitnahm und der Erpresser Bragg entdeckte, würde sie ihr Porträt nicht zurückbekommen.
Sie wusste allerdings auch, dass sie nicht allein zum Treffpunkt gehen konnte. Kurz bevor sie gegen halb vier am Morgen endlich einschlief, entschloss sie sich, Hart zu fragen, ob Raoul mitkommen konnte. Und sie würde Joel mitbringen. Wenn es schiefging, konnte Joel zu Bragg laufen und ihn benachrichtigen. Vielleicht würde sie dem Jungen sogar eine Waffe geben.
Als sie am nächsten Morgen bei Hart
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