Bevor du stirbst: Roman (German Edition)
ihrer roten Kate bei Nyköping herum. Meistens sind sie mit ihrem eigenen Leben beschäftigt. Eva und Göran dagegen kümmern sich um Erik und pendeln zwischen den Flughäfen Kalix und Arlanda hin und her, um Erik sehen zu können.
»Na, dann prost und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Markus.« Eva hebt ihr Glas, Göran schiebt den Kochtopf zur Seite und greift nach seinem Weinglas. Ich nehme mein Wasser und drücke Markus noch einmal die Hand. Unsere Blicke begegnen sich, und ich sehe das Funkeln in seinen Augen. Glück. Erwartung.
Nach dem Essen werden Göran und Eva auf Erik aufpassen, während wir uns in Kalix mit Markus’ alten Freunden treffen. Noch vor wenigen Jahren wäre mir die Vorstellung, im nördlichsten Schweden in einer Hotelbar zu stehen und mit einer Bande von zehn Jahre jüngeren Hockeyspielern und ihren Freundinnen zu reden, unangenehm gewesen. Aber als meine Beziehung zu Markus stärker wurde, habe auch ich mich verändert. Was mir früher provinziell und banal vorkam, wirkt nun echt und wertvoll.
Göran stimmt mit seinem schönen, im Kirchenchor ge schulten Bariton »Hoch soll er leben« an, und wir anderen singen mit. Erik mustert uns aus großen Augen, verwirrt, weil die Erwachsenen sich plötzlich aufführen, als säßen sie bei der Sammelstunde im Kindergarten, dann singt er aber ebenfalls. Papa hat Geburtstag, und das muss natürlich gefeiert werden. Erik wickelt sein schönstes Auto in Zeichenpapier und überreicht es Markus. Nach zwei Minuten holt er es sich zwar zurück, aber die Geste kam von Herzen.
Als das Lied verklungen ist, serviert Göran Lammfilet mit Rosmarinkartoffeln und Eva schenkt Wein nach.
»Also, Papa und ich haben eine Überraschung.« Eva lächelt und fährt sich mit der Hand durch die kurzgeschnittenen roten Haare.
Markus und ich wechseln einen Blick und zucken kurz mit den Schultern. Ich habe keine Ahnung, was seine Eltern da vorhaben. Göran nickt und redet weiter.
»Wir wissen ja, dass ihr im Sommer gern hochkommt.« Markus nickt auch, und ich murmele eine Bestätigung, während ich zugleich versuche, Erik, der lieber weiter zeichnen will, zum Essen zu bewegen.
»Und da haben wir gedacht, dass … ja, dass es für euch vielleicht nett sein könnte, eine eigene Bleibe zu haben.«
Eva schaut uns wieder an, als ob sie versuchte, unsere Mienen zu lesen. Ich ahne jetzt, wovon sie redet. Eva und Göran haben ein Ferienhaus im Schärengürtel vor Kalix, ein schönes Holzhaus mit Blick aufs Meer. Das Grundstück ist seit Generationen im Besitz der Familie. In Stockholm wäre es ein Vermögen wert, hier im Norden sind die Preise noch erschwinglich.
»Wir haben euch ein Stück von Hammerskär überschrieben. Wir dachten, ihr könntet euch selbst etwas bauen, wenn ihr Lust habt. Und ja, Erik muss doch auch im Sommer herkommen können. Er ist zwar Stockholmer, aber in ihm steckt schließlich auch ein kleiner Norrländer.«
Göran lacht strahlend, und Eva schaut uns erwartungsvoll an. Ich blicke zu Markus hinüber, sehe sein Lächeln. Ich weiß, welches Heimweh er immer hat, nach Norrland und dem Ferienhaus. Es ist ein wunderschönes Geschenk. Eva wendet sich mir zu, schiebt die Brille höher.
»Siri, ich weiß, dass du es vielleicht öde findest, den ganzen Sommer hier oben zu verbringen, und so ist das auch nicht gemeint. Wir wollten euch nur die Möglichkeit geben. Ihr kommt so oft oder so selten her, wie ihr wollt. Und auf diese Weise habt ihr dann eine eigene Bleibe, wo ihr allein sein könnt, statt immer bei den Schwiegereltern herumhängen zu müssen.« Sie sieht fast flehend aus, als sollte ich das Geschenk gutheißen. Ich schüttele nur den Kopf und lache. Erik legt seinen Buntstift weg und schaut mich fragend an.
»Warum lachst du, Mama?« Sein Gesichtchen ist verwirrt, und er blickt mich aus strahlend blauen Augen an. Markus’ Augen.
»Ich lache, weil ich so froh bin.«
Meine Antwort kommt selbstverständlich und rasch. Markus dreht sich zu mir, beugt sich über Erik und küsst mich auf den Mund. Dann steht er auf und umarmt seine Eltern.
»Mama und Papa geben sich einen Kuss.«
Und er lacht vor Freude.
Der Himmel ist schwarz, aber von Millionen von Sternen beleuchtet. Wir fahren über eine kleine, nicht geräumte Straße. Orange Stöcke kennzeichnen den Straßenrand. Draußen ist es fast zwanzig Grad unter null, aber die Heizung im Wagen läuft, und warme Luft strömt aus dem Ventilator. Ich fahre, konzentriert auf die schmale Straße, und
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