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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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fluche in Gedanken. Nehme dann seinen Duft wahr – den Duft meines Kindes – und werde plötzlich von seltsamen Gefühlen erfüllt. Diese Liebe, die uns überwältigt, wenn wir am wenigsten damit rechnen.
    Vorsichtig hebe ich ihn hoch, rede beruhigend auf ihn ein und presse meine Nase hinter sein Ohr. Ich merke sofort, wie heiß er ist. Es ist klar, dass er Fieber hat.
    »Mamas armer Liebling«, flüstere ich.
    Dann wird im Wohnzimmer Licht gemacht, und Markus kommt zu uns. Legt mir vorsichtig die Hand auf die Schulter.
    »Geht es ihm gut?«
    »Er hat Fieber.«
    Ich flüstere, obwohl das nicht mehr nötig ist. Erik ist hellwach und weint laut.
    »Soll ich das Thermometer holen?«
    »Und ein Alvedon, bitte.«
    Er verschwindet in der Küche, nackt. Trotz der Kälte im Haus will er unbedingt ohne Kleider schlafen. Anfangs fand ich das sexy, dann komisch, jetzt geht es mir nur noch auf die Nerven.
    Erik hat 39 Grad Fieber. Markus sieht mir besorgt zu, als ich ihm das Alvedon und etwas zu trinken gebe.
    »Was kann das sein, was meinst du?«
    »In der Kita geht doch so allerlei um. Es ist sicher nicht gefährlich, aber morgen muss er zu Hause bleiben.«
    Markus nickt.
    »Gut. Kannst du? Ich habe ein Entwicklungsgespräch.«
    »Ich habe Klienten. Es wäre gut, wenn du könntest.«
    Es macht mich betroffen, dass der Tonfall zwischen uns immer häufiger angespannt ist, auch wenn wir gar nicht richtig streiten. Zivilisiert, aber unangenehm und traurig.
    »Ich muss aber zu diesem Entwicklungsgespräch.«
    »Dann geh doch«, sage ich und packe ihm Erik ein wenig zu hart in die Arme. Erik wimmert, aber ich mache auf dem Absatz kehrt und verlasse das Zimmer, ohne mich umzusehen. Auf dem Weg ins Schlafzimmer brennen mir Tränen in den Augen. Ich hätte nie erwartet, dass es so sein könnte. So schwer, so ermüdend und so konfliktreich. Nur, weil ein kleines Kind auf die Welt gekommen ist.
    Ich lasse mich auf das Bett sinken: 05.30 Von noch einmal Einschlafen kann keine Rede sein. In einer Stunde klingelt der Wecker. Markus kommt, setzt sich neben mich.
    »Du?«
    »Ja?«
    »Alles in Ordnung bei dir?«
    »Sicher. Ich bin nur so …«
    Ich weiß plötzlich nicht, was ich sagen soll. Ich hoffe, dass Markus mir zu Hilfe kommt, mir hilft, meine Gefühle in Worte zu kleiden. Aber Markus ist ein praktisches Gemüt. Er schaut auf die Uhr.
    »Kaffee?«
    »Ja, bitte«, sagte ich ohne größere Begeisterung.
    Wir trinken in der Küche bei Kerzenlicht Kaffee. Draußen ist es dunkel. Im Radio laufen langsame Liebeslieder, und in den Nachrichten wird mitgeteilt, was in der Nacht geschehen ist: Die Börse in New York hat heftige Einbrüche erlebt, eine junge Frau ist in Nacka im Eis eingebrochen und ertrunken, bald wird es einen Impfstoff gegen Impotenz geben. Ich gähne.
    Markus gießt mir Kaffee nach und steht auf.
    »Ich muss los.«
    Er küsst mich in den Nacken und läuft ins Schlafzimmer.
    Und ich sitze da mit einem undefinierbaren Gefühl, einer Unruhe, die ich nicht erklären kann.
    Den restlichen Tag verbringe ich lesend auf dem Bett. Erik schläft, und an Arbeit ist für mich nicht zu denken, ich habe alle Unterlagen in der Praxis. Marianne hat die Klienten angerufen und die Termine abgesagt. Draußen leuchtet eine bleiche Sonne, zum ersten Mal seit langem. Kleine hoffnungsvolle Tropfen haben sich an den Eiszapfen vor dem Fenster gebildet. Mit etwas gutem Willen kann man vielleicht das heranziehende Tauwetter erahnen.
    Zweimal versuche ich, Anna Kantsow anzurufen, aber sie meldet sich nicht. Ich hoffe, dass es ihr besser geht, und nehme mir vor, dass ich es morgen wieder versuchen werde.

Stockholm 1988

Die U-Bahn schlich vorbei an den südlichen Vororten. Enskede Gård, Sockenplan, Bandhagen. Anders und Stefan saßen einander gegenüber und betrachteten die anderen Fahrgäste. Ein Mädchen, vermutlich jünger als sie selbst, schaukelte einen marineblauen Kinderwagen und versuchte, ein schreiendes Baby zu beruhigen. Ein Mann in Lederjacke hielt ein Tablett mit belegten Broten in der Hand, und Stefan nahm an, dass er die bei einer Haltestelle verkaufen wollte. Zwei Ausländer diskutierten heftig in einer Sprache, die wie Türkisch klang, und fuchtelten wild mit den Händen. Eine Frau mittleren Alters schlief auf dem Sitz ihnen gegenüber. Sie schnarchte laut und hatte eine Weinfahne. Frotteesocken hingen locker um ihre mageren Stöckchenbeine, und die gelblichen Arme waren bedeckt mit Wunden und blauen Flecken.
    »Tja«, murmelte

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