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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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drehte sich um und rannte los.
    Auf dem Weg zur Fahrrinne ging ihr die Ironie des Ganzen auf. Fünf Jahre zuvor war sie in einem Stockholmer Park vor einem Mann weggelaufen. Jetzt jagte er sie wieder. Alles bewegt sich im Kreis, dachte sie. Alles kommt zurück.
    Sie erreichte die Rinne in dem Moment, als die Fähre vorüberkam. Auf zehn Meter Entfernung sah sie Menschen hinter den beleuchteten Fenstern. Sie schrie und fuchtelte mit den Armen, gab sich alle Mühe, um Aufmerksamkeit zu erregen.
    Eine Silhouette war an der Reling zu ahnen. Der kleine glühende Punkt, der in der Dunkelheit blinkte, musste bedeuten, dass da jemand rauchte. Sie winkte dem unbekannten Fahrgast zu, und der winkte zurück. In diesem Moment spürte sie einen Arm um ihre Schultern. Sie drehte sich um, konnte noch das Lächeln in seinem Gesicht sehen, als er die Hand hob, wie um zu bestätigen, dass hier ein Paar seinen Abendspaziergang machte – wenn auch gefährlich dicht bei der Fahrrinne –, und der vorüberkommenden Fähre fröhlich zuwinkte.
    »Du Arsch«, brüllte sie und rannte von der Fähre weg, entlang an der Fahrrinne, sprang über kleine Eisklumpen, die am Rand angefroren waren. Die Fähre entfernte sich jetzt rasch in Richtung Stadt, schrumpfte zu einem gelben Punkt. Eine Wolke schob sich zur Seite, und plötzlich beleuchtete der Vollmond das Eis, gab ihm einen bläulichen Farbton, der es etwas leichter machte, sich zwischen den gefrorenen Eisschollen am Rand der Rinne zu bewegen.
    Für einen Moment verspürte sie Hoffnung, eine Art Überzeugung, dass sie die Kontrolle über die Lage zurückgewonnen hätte. Gleich darauf hatte er sie eingeholt, stieß sie auf die Rinne zu, aber sie hatte rasch das Gleichgewicht zurückerobert.
    Erst nach einigen Sekunden begriff sie, dass etwas nicht stimmte. Ihr linker Fuß stand nicht – wie sie geglaubt hatte – auf festem Boden. Der Eisblock unter ihrem Fuß schwankte bedrohlich und trieb hinaus in die Rinne. Die Entfernung zwischen ihrem rechten und ihrem linken Fuß wuchs von einer Sekunde zur anderen. Unmittelbar bevor sie ins Wasser fiel, überkam sie die Erkenntnis.
    Keine Kontrolle, sie hatte keine Kontrolle.
    Sie würde in die Rinne fallen. In das eiskalte Wasser, das vier Grad hatte, und es gab nichts, was sie tun könnte, um das zu verhindern.
    Zwei Dinge überraschten sie: Wie kalt das Wasser war und die Tatsache, dass sie rasch wieder an die Oberfläche kam. Sie schrie und machte einige hilflose Schwimmzüge auf den Rand zu, zwang sich, kleine Eisschollen zur Seite zu pressen. Der Rand war glatt, und sie bekam ihn nur mit Mühe zu fassen. Sie versuchte, sich hochzuziehen, aber das Wasser, mit dem sich ihre Jacke und ihre Stiefel vollgesogen hatten, machte sie schwer und unbeholfen, zog sie nach unten, in die schwarze, kalte, bodenlose Tiefe.
    Ihre Finger waren starr vor Kälte und wollten nicht gehorchen, als sie den Reißverschluss ihrer Jacke öffnete und sie abstreifte. Wie lange war sie wohl schon in dem kalten Wasser? Zwei, drei Minuten?
    Auf irgendeine Weise konnte sie sich auch von ihren Stiefeln befreien, dann packte sie abermals die Eiskante, um sich hochzuziehen.
    In dieser Sekunde schoss ein scharfer Schmerz durch ihre Finger, ihre Unterarme und weiter durch ihren Körper. Sie schrie, aber kein Laut kam aus ihrer Kehle. Überrascht schaute sie auf.
    Auf ihrer Hand stand der Stiefel des Mannes.

Stockholm 2010

Ich werde von Eriks Weinen geweckt, einem übellaunigen Weinen, das meinen Traum zerreißt und mich ins Bett im Haus an der Bucht zurückholt. Als ich aufstehe, merke ich, wie kalt das Zimmer ist. Ich wickele mich in eine Decke und schalte das Licht an. Nichts passiert. Reflexmäßig lasse ich mich wieder ins Bett sinken und schüttele Markus ein wenig.
    »Wir haben keinen Strom.«
    Er rührt sich nicht, liegt einfach gelassen unter der Decke. Eriks Weinen im Nebenzimmer wird immer lauter.
    »Wir haben wieder einen Stromausfall, du musst aufwachen.«
    Widerwillig erhebt er sich auf die Ellbogen.
    »Warum muss immer ich …«
    »Weil ich mich um Erik kümmern muss.«
    Ohne auf seine Antwort zu warten, laufe ich zu Eriks Zimmer und komme dabei durch das Wohnzimmer mit den großen Fenstern. Der Vollmond, der über der Bucht steht und den Schnee mit seinem blauen Schein erhellt, lässt mich für eine Sekunde stehen bleiben. Es ist schön und unheimlich zugleich. Erik schluchzt jetzt immer lauter. Ich stolpere über einige Legosteine, die bei der Tür herumliegen, und

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