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Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Bevor du stirbst: Roman (German Edition)

Titel: Bevor du stirbst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Grebe , Åsa Träff
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nicht das Bedürfnis. Sie hatten jedenfalls keine Gemeinsamkeiten. Worüber hätten sie auch reden sollen? Dann gab es Peter. Sie waren seit fast einem Jahr zusammen. Tatsache war, dass in dieser Zeit in ihrem Leben nichts Besonderes passiert war. Bis jetzt.
    Der Bus hielt an einer Haltestelle, und drei Fahrgäste stiegen aus. Ein älterer Mann half einer jungen Frau mit Kinderwagen und zwei schweren Einkaufstüten beim Aussteigen. Anna starrte die spanischen Verben an, merkte plötzlich, wie müde sie war. Vielleicht hätte sie ihn deshalb fast übersehen. Plötzlich stand er einfach vorn im Bus mit seiner dicken Daunenjacke, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Wann war er eingestiegen? Sie spürte, wie ihr Puls schneller schlug und wie ihr unter der dicken Winterjacke der Schweiß ausbrach. Langsam verstaute sie das Spanischbuch in ihrer Tasche und öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke. Übelkeit jagte durch ihr Zwerchfell, als der Bus plötzlich schlingerte.
    Der Mann ging langsam durch den Bus, blieb zwei Reihen vor ihr stehen und ließ sich auf den Sitz sinken.
    Sie hielt den Atem an.
    Er streifte seine Kapuze ab und entblößte zerzauste lange blonde Haare.
    Es war eine Frau.
    Die Erleichterung war fast greifbar; eine Last wurde ihr von den Schultern genommen. Sie holte Luft. Tief. Ließ sich auf dem Sitz zurücksinken, wischte sich den Schweiß von der Stirn. Vielleicht wurde sie ja doch paranoid. Aber Tatsache war, dass der Mann in der Stoffjacke ihr gefolgt war, er war mehrmals mit diesem Bus hier gefahren. Ehe sie angefangen hatte, sich nach ganz hinten zu setzen, war es vorgekommen, dass er irgendwo hinter ihr in den Bus gestiegen war. Sie hatte auf der ganzen Fahrt gespürt, wie seine Blicke in ihrem Rücken brannten.
    Sie näherten sich dem Gewerbegebiet, wo sie aussteigen musste. Anna nahm ihre Tasche und wartete auf die Haltestelle. Als der Bus anhielt, stieg sie hinaus in die Dunkelheit und zog den Reißverschluss hoch, als die Kälte ihr entgegenkam wie eine Wand. Sorgsam überzeugte sie sich davon, dass sonst niemand ausstieg. Dann stand sie allein da, als der Bus in der Dunkelheit verschwand. Rasch wurde es still. Der Schnee absorbierte das Motorendröhnen so effektiv wie ein Schalldämpfer.
    Um sie herum hohe Zäune. Rechts ein Autofriedhof, sie konnte unter dem Schnee Autowracks ahnen. Wie tote Käfer lagen sie mit den Rädern nach oben auf dem Boden. Links der Recyclinghof. Der war verlassen, aber hell erleuchtet, mit großen pädagogischen Schildern zum Thema Mülltrennung. Sie nahm die Tasche über die Schulter und ging auf das Ufer zu. Der Schnee knirschte unter ihrem Gewicht, und ihr Atem bildete in der Dunkelheit vor ihr kleine weiße Wolken. Es war kalt. Sie bohrte die Hände tiefer in die Taschen, suchte nach der Wärme, von der sie wusste, dass sie dort unten irgendwo vorhanden war.
    Sie blieb unter einer Straßenlaterne stehen und schaute sich um. Der Weg war menschenleer. Irgendwo in der Ferne konnte sie einen Hund bellen hören. Sie atmete auf. Sonst war hier niemand. Das letzte Haus rechts vor dem Ufer war ein Großhandel für Stein und Sand. Unter der Schneedecke waren Stapel aus Betonplatten zu ahnen.
    Sie hoffte, dass Peter etwas zu essen im Haus haben würde. Oft gab es in seinem Kühlschrank nur Bier, Ketchup, Mayonnaise, Limo und andere Grundzutaten, die er brauchte, wenn er sich etwas zu essen machte. Sie selbst war ziemlich genügsam. Aß lieber einen Salat als einen Hamburger. Nicht, dass sie ein Gesundheitsfreak wäre, es schmeckte ihr einfach besser.
    Sie erreichte den Fußweg, der aus dem Gewerbegebiet durch den kleinen Tannenwald zum Wasser führte. Hier gab es keine Laternen, und ihre Augen brauchten eine gewisse Zeit, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Sie blinzelte einige Male, konnte die Umrisse des Weges erkennen, sah die leeren Bierdosen, die auf der rechten Seite im Schnee lagen, daneben eine schwarze verknotete Plastiktüte, die vermutlich Hundekacke enthielt.
    Vorsichtig stieg sie den kleinen Hang hinunter, um nicht auszurutschen. Ehe die ganze Sache mit Siri passiert war, hatte sie sich vor nichts gefürchtet. Sie hatte nachts allein durch den Wald gehen können, ohne auch nur die geringste Furcht zu verspüren. Sie vermutete, es lag daran, dass sie die Hölle bereits gesehen hatte. Ihr konnte nur noch Weniges Angst einjagen.
    Dann hatte sie das Wasser erreicht. Ihr blieben noch hundert Meter über das Eis. Sie sah die Wohnsiedlung am anderen Ufer. Die

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