Bevor du stirbst: Roman (German Edition)
Anders. »Verdammt deprimierend, hier herauszufahren. Nur jede Menge Elend.«
Er rieb sich das Kinn, befühlte die wenigen Barthaare.
»Es ist die Mühe wert. Das weißt du. Wir werden ziemlich gut verdienen. Genug für eine ganze Weile.«
Stefan gab sich Mühe, überzeugend zu klingen. Er fühlte sich aber auch nicht wohl in seiner Haut. Außerdem machte Rambo ihm immer eine Scheißangst. Aber das mochte er weder Anders noch Ulrik eingestehen.
Ulrik hatte Rambo kennengelernt, als er im Sommer in der Autofirma seines Vaters gejobbt hatte. Ulrik war so eine Art Laufbursche gewesen, hatte im Verkauf und in der Werkstatt ausgeholfen. Es war schwer, sich den schwarzgekleideten mageren Ulrik als Autohändler oder beim Auswechseln einer Zündkerze vorzustellen, aber sein Vater hatte gemeint, er müsse alles von der Pike auf lernen. Ulrik hatte den anderen erzählt, das sei alles nur Blödsinn. Er habe nicht vor, nach dem Abi Autos zu verhökern. Er wolle zuerst studieren, und dann könne man ja weitersehen. Jedenfalls nichts mit Autos, aber als Sommerjob sei das ganz okay.
In der Werkstatt arbeitete Rambo. Ein untersetzter Typ mit irren schwarzen Augen, kräftigem Unterbiss, der an eine Art Reptil erinnerte, und einem langen Pferdeschwanz. Obwohl er und Ulrik nicht viele Gemeinsamkeiten hatten, hatten sie doch bald ein Interesse entdeckt, das sie teilten.
Drogen.
Rambo schien unbegrenzten Zugang zu Drogen zu haben, und Ulrik konnte beim Verkauf helfen und sich so etwas dazuverdienen. Einzelhändler, so nannte Rambo ihn. Nach einer Weile durften auch Stefan und Anders mit zu ihm kommen und Geschäfte machen. Micke war einmal dabei gewesen, fand alles aber unangenehm und hielt sich zurück.
»Nächster Halt Rågsved.«
Anders stand von dem braunorangefarbenen Sitz auf, packte eine große Trainingstasche und warf sie sich über die Schulter. Stefan schlenderte hinter ihm her durch die Türen. Sie gingen durch die heruntergekommene Station und weiter über den hufeisenförmigen Platz. Wildrosen und Flieder blühten in den öffentlichen Beeten um die Wette und ließen den warmen Abend nach Sommer riechen. Auf einer Parkbank saßen einige Penner und teilten sich eine Flasche Schnaps. Ein paar kleine Jungs fuhren auf Rädern über den schmalen Parkweg, und Anders musste beiseitespringen, um nicht überfahren zu werden.
»Ja verdammt«, murmelte er. »Was für Scheißpack.«
Aus Rambos Wohnung drang laute Musik. Stefan musste mehrmals klingeln, dann verstummte plötzlich die Musik, rasche Schritte waren zu hören, und Rambo öffnete die Tür. Seine langen Haare hingen offen herunter, und seine Augen waren rot und glasig. Die Wohnung war verräuchert, und süßlicher Haschgeruch schlug ihnen entgegen.
»Hallo, Jungs. Entschuldigung, ich hab gerade ein Nickerchen gemacht. Aber kommt doch rein, kommt rein.«
Sie betraten die überraschend ordentliche kleine Zweizimmerwohnung. Im Wohnzimmer gab es ein schwarzes Ledersofa und einen Tisch aus Rauchglas. An den Wänden hin gen gerahmte Pakete von Ikea. Vor der einen Wand stand eine große Stereoanlage, und hunderte von LP s waren an der Wand gestapelt. In einem grünen Plüschsessel schlief eine magere graugetigerte Katze. Vergilbte Yuccapalmen drängten sich vor den Fenstern.
»Und was kann ich für euch tun, Kumpels?«
Er lächelte breit, setzte sich in den Sessel und nahm die schlafende Katze aufs Knie.
Anders hatte sich auf das Sofa gesetzt und erwiderte den Blick aus Rambos seltsam schwarzen Augen. Der grinste und nickte zufrieden.
»Ja, ja, natürlich tun wir uns gegenseitig einen Gefallen. Wart ihr zuletzt mit den Waren zufrieden? Das war richtig guter Stoff, was?«
Stefan und Anders grinsten und nickten zustimmend.
»Und jetzt hab ich noch ein paar Gramm, und die sollt ihr verkaufen. Geht das?«
»Kein Problem, jetzt gibt es so viele Partys, und alle wollen was.« Stefans Stimme klang belegt, und er räusperte sich und hustete gegen seinen Ärmel.
»Ganz hervorragend.«
Rambo streichelte weiter die graue Katze, die jetzt schnurrte.
Er schob die Hand in eine der ungeheuer tiefen Taschen seines Trainingsanzugs und zog ein Bündel kleiner durchsichtiger Tüten hervor, die mit weißem Pulver gefüllt waren, und schob sie über die dicke Tischplatte.
»Ihr kennt die Preise?«
Stefan und Anders nickten.
»Das hier reicht eine Weile. Habt ihr Geld für mich vom vorigen Mal?«
Rambo schob den Unterkiefer vor und musterte sie unter halbgeschlossenen Augenlidern.
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