Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
Vom Netzwerk:
wurde. Hin und wieder wurden sie gefragt, wie es denn möglich sei, dass sie einen so unglaublich lieben Sohn hätten. Sie hatten darauf keine Antwort, aber sie strahlten. Als würde all die Liebe, die sie ihm von Geburt an geschenkt hatten, nun richtig in dem Jungen aufblühen. Und er gab sie allen, denen er begegnete, weiter. Das musste die Erklärung sein, diese überströmende Liebe. Er wurde wirklich von allen geliebt. Und er spürte es, er schlug den Blick nieder, wenn jemand mit ihm sprach.
    Zweimal hatte er ein Haus niederbrennen sehen. Er war damals noch keine zehn Jahre alt. Beide Male hatte er vollkommen ruhig zugesehen, und auch danach hatte er die Brände mit keinem Wort erwähnt.
    Häufig kam es ja nicht zum Alarm, doch wenn es geschah, durfte er bei Ingemann im Feuerwehrwagen mitfahren.
    Es begann damit, dass das Telefon im Flur klingelte. Ingemann nahm ab. Ja , meldete er sich. Alma trat aus der Küchentür und trocknete sich die Hände an der Schürze ab. Einige Sekunden sagte niemand ein Wort. Dann Ingemanns Stimme: Es brennt . Es war wie eine Zauberformel. Alles wurde aus der Hand gelegt. Jetzt ging es nur um den Brand. Ingemann, normalerweise ein ruhiger und besonnener Mann, überkam unvermittelt die Aufregung. Dennoch erinnerte er sich inmitten des entstehenden Wirrwarrs immer an Dag. Dag lief ihm aus der Tür bis zu dem Pfosten vor der Werkstatt nach. Dort hob sein Vater ihn hoch, bis er den großen schwarzen Schalter erreichte, der den Feueralarm auslöste. Es war nicht leicht, den Schalter umzulegen. Aber es gelang ihm. Und dann kam der Alarm wie ein Sturzbach vom Himmel. Dag folgte seinem Vater in die Werkstatt und sah zu, wie Ingemann sich die Uniform anzog, dann begleitete er ihn durch die scharfe Kurve zur Feuerwache, wobei er sich die Ohren zuhielt. So war das. Er musste sich die Ohren zuhalten, bis sie die Feuerwache erreicht hatten. Dort kletterte er in das Feuerwehrauto, schlug die Tür zu, dann fuhren sie los. Sie wurden schneller, der Vater schaltete die Sirene ein, ein Gefühl, als würde das Blut in den Adern gefriere n – erst gefror es, dann pulsierte es umso heftiger. Und Dag sah seinen Vater an und spürte, wie stolz er auf Ingemann war. Er musste sich festhalten, und wenn sie sich der Brandstelle näherten, hieß es, er solle ordentlichen Abstand zu den Flammen halten, im Hintergrund bleiben, nichts anfassen, niemandem im Weg stehen, nicht stören. Nur zusehen. Und das hatte er getan. Er hatte zugesehen, wie sich ein Haus verwandelte. Erst quoll Rauch aus den Fenstern und zwischen den Dachziegeln. Das ganze Haus qualmte, als stünde es unter einem gewaltigen Druck. Dann durchbrachen die Flammen das Dach, und eine kohlschwarze Säule stieg in den Himmel. Der Rauch wurde direkt in den Äther gesogen. Dann beruhigte er sich, zerfloss über den Himmel wie Tinte und trieb mit dem Wind davon. Danach kam das Heulen, oder der Ton, der Gesang oder wie man es auch nennen will. Ein hoher, heller, singender Ton, den es nur inmitten eines brennenden Hauses gab. Er hatte seinen Vater danach gefragt, aber Ingemann hatte ihn nur so merkwürdig angesehen und kein Wort verstanden. Doch Dag kannte diesen Ton. Er hatte ihn gehört. Das Heulen. Den Gesang. Zum ersten Mal, als er sieben Jahre alt war. Da passierte die Sache mit dem Hund. Dag war auf einen Baum geklettert, der ein Stück vom Feuerwehrwagen und dem brennenden Haus entfernt stand. Dort oben saß er mucksmäuschenstill und schaute zu. Als Einziger hörte er das verzweifelte Kläffen und Winseln aus der raucherfüllten Küche, aber er war nicht herabgeklettert und hatte es gemeldet. Er verhielt sich still und leise, genau wie sein Vater es ihm eingeschärft hatte. Er sah den Männern zu, die Schläuche ausrollten und kreuz und quer über den Hof liefen. Er spürte die heftige Hitze, die in großen eisigen Wellen gegen den Baum schlug. Er sah, wie die Wassersäulen anstiegen und kräftiger wurden, wie der Rauch sie verschluckte. Glas klirrte, es knallte und knirschte, als wäre das ganze Haus ein Schiff auf dem Weg ins offene Meer. Dann, plötzlich, schlugen die Flammen aus einem der Dachfenster und leckten die Wände hinauf. Als würde irgendetwas endlich freigelassen. Da war es in der Küche bereits still geworden.
    Schließlich kletterte er vom Baum und ging ruhig zu seinem Vater. Er stand neben ihm, bis Ingemann ihn auf den Arm nahm. Er saß bei seinem Vater auf dem Arm, als das Haus zusammenstürzte.
    Von dem Hund hatte er nie

Weitere Kostenlose Bücher