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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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Brand rasch bis in den Wald aus. Das Frühjahr war trocken gewesen, ungewöhnlich trocken. Notwendig war lediglich ein winziger Funke. Eine aus dem Fenster geworfene Zigarette, ein Moment der Unachtsamkeit.
    Der Alarm wurde ausgelöst.
    Es heulte eine Weile, bis die Menschen verstanden, worum es sich handelte. Die Sirene war bisher ja nur selten zum Einsatz gekommen. Man hielt inne und sah sich ein paar Sekunden an.
    Das ist doch der Feueralarm?
    Dann fuhr der Feuerwehrwagen mit eingeschalteten Sirenen aus der Wache. Die scharfe Kurve hinunter, am Wohnhaus vorbei, über die kleine Brücke. Er bog links ab, beschleunigte und fuhr weiter, vorbei am ehemaligen Gemeinschaftshaus mit dem Balkon und der Fahnenstange, die über der Straße hing. Den Hügel hinunter, am Bethaus und dem Herrenhaus vorbei in Richtung Kilen.
    Dag saß am Steuer, während Ingemann sich an dem Griff über der Beifahrertür festhielt. Der Feuerwehrwagen war neu, erst fünf Jahre alt. Ein International mit einem Tank für eintausend Liter Wasser und einer fünfundzwanzig Kilo schweren Wasserpumpe im Frontbereich. Der Wagen lag gut auf der Straße, und Dag fuhr schnell und umsichtig. Ein paar Autos, denen sie begegneten, bremsten, fuhren an den Straßenrand und ließen sie passieren. In Kilen hatte man gehört, dass die Sirenen sich näherten, und vor Kaddebergs Laden standen eine Menge Leute, die sehen wollten, was hier vor sich ging. Auf der Höhe des Ladens musste Dag hart bremsen und den Wagen nach links ziehen, auf die Straße nach Øvland; das Wasser im Tank geriet in Bewegung und ließ den ganzen Wagen von einer Seite auf die andere schlingern.
    Sie waren die Ersten an der Brandstelle. Kurz darauf kam ein Mann aus dem Wald gerannt, der Eigentümer, Sjur Lunde. Er hatte angerufen. Und in der Zwischenzeit versucht, allein mit den Flammen fertig zu werden.
    Fünfzehn Minuten später waren alle Männer der Freiwilligen Feuerwehr vor Ort. Sie parkten ihre Autos in einer Reihe hinter dem Feuerwehrwagen. Alfred erschien. Jens. Arnold. Salve. Knud. Peder. Alle waren gekommen. Aus der Entfernung glich die Reihe der Autos einem langen Zug: Der rote Feuerwehrwagen war die große Lokomotive, die all die weißen, blauen und braunen Wagen hinter sich her zog.
    Es brannte auf einer relativ begrenzten Fläche. Es war windstill, und ein kleiner Weiher lag in der Nähe. Ein einfach zu beherrschender Brand. Zu viert hoben sie die Wasserpumpe vom Wagen, und schon bald floss das Wasser. Ingemann half ihnen, doch dann übernahmen die anderen, und er blieb in der Nähe stehen und sah ihnen zu. Hin und wieder spürte er kleine Stiche in der Brust, die vom Herzen auszugehen schienen; doch sobald er sich ein wenig ausgeruht hatte, verschwanden die Stiche auch wieder. Dag hielt den Schlauch, bis das Wasser kam. Der Druck war kräftig und er richtete den Strahl auf die Flammen. Eine ganze Weile hockte er auf den Knien und spritzte Wasser auf die Flammen, während die anderen hinter ihm standen und zusahen. Dann drehte er sich um und rief, ob ihn jemand ablösen könne. Sofort kam jemand und riss ihm den Schlauch aus den Händen, und Dag ging langsam zurück zum Feuerwehrwagen und stellte sich neben seinen Vater. Er hatte ein rotes Gesicht und blutete aus einem kleinen Schnitt an der Hand. Er war außer Atem, aber dennoch in gewisser Weise ruhig und abgeklärt. Er schien glücklich zu sein.
    »Das hast du gut gemacht«, sagte Ingemann so leise, dass niemand sonst es hörte.

V
    Mai 1978. Meine Mutter schob mich im Kinderwagen bis zur Schule von Lauvslandsmoen und zurück. Es war nicht weiter als einen knappen Kilometer, unterwegs schlief ich.
    Über einen zufälligen Brand redet man nicht. Er wird schnell wieder vergessen. Er gleitet vorbei.
    Aber ein zweiter?
    Es passierte nur zehn Tage danach. Diesmal traf es den alten Heuschober von Tønnes am Fuß des Leipslandskleiva, nur wenige hundert Meter von Großmutters Haus entfernt. Ich erinnere mich an die vier Ecksteine, die in meiner ganzen Kindheit ein perfektes Quadrat bildeten, doch weder meine Großeltern noch andere Leute haben mir je erzählt, was sich dort ereignet hat.
    Als der Feuerwehrwagen eintraf, stand die Scheune in hellen Flammen, und das Fachwerk sah aus wie ein lichterloh brennendes Spinnengewebe inmitten des eigentlichen Brandes. Schnell hatte man Wasser in den Schläuchen, doch es gab nichts mehr zu retten. Der Alarm war zu spät ausgelöst worden. Die Scheune brannte kontrolliert nieder.
    Nach und nach

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