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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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stockdunklen Raum. Es roch nach altem Heu. Und nach Kalk, Torf und feuchter Erde. So roch es sicher im Grab, dachte er und musste beinahe lächeln. Lautlos ging er ein paar Schritte nach vorn, dann blieb er abrupt stehen. Unvermittelt hatte er das Gefühl, nicht allein zu sein. Jemand sah ihm zu. Irgendwo in der Dunkelheit starrte ihn jemand unverhohlen an; und mit einem Mal ging ihm das Gewehr durch den Kopf, das draußen im Auto lag.
    »Hallo?«, flüsterte er.
    Niemand antwortete.
    »Wer bist du?«
    Wieder nichts.
    »Ich weiß, dass du da bist. Komm einfach raus.«
    Er starrte in die Dunkelheit. Dann meinte er zu sehen, wie jemand sich langsam bewegte. Jemand stand dort und zögerte herauszukommen.
    »Hast du Angst?«
    Die Gestalt antwortete nicht. Plötzlich wurde ihm klar, um wen es sich handelte.
    »Papa?«, fragte er.
    Die Gestalt kam ein wenig näher. Streckte die Hände aus, während er selbst wie festgefroren dastand.
    »Komm nicht näher«, sagte er leise. »Du sollst nicht näherkommen.«
    Die Gestalt kam in der Dunkelheit langsam auf ihn zu.
    Dann riss er ein Streichholz an. Der Raum um ihn herum flammte auf. Dort war niemand. Weder Ingemann noch sonst irgendjemand. Nur alte Gerätschaften und anderer Schrott, an einer Wand gestapelt. Als das Streichholz erlosch, glaubte er trotzdem, seinen Vater zu sehen. Es sah aus, als würde er knien.
    »Papa? Es wird keine weiteren Brände geben, Papa. Hörst du?«
    Niemand antwortete.
    »Ich sage, es wird keine weiteren Brände geben.«
    Er entzündete noch ein Streichholz und wieder zeigte sich der Vater, der in der Dunkelheit kniete.
    »Du sollst nicht hier sein, habe ich gesagt.«
    Nun sah er, wie der Vater sich ruhig erhob, plötzlich in der Dunkelheit vor ihm stand und seine Hände ausstreckte.
    »Komm heraus, sonst verbrennst du hier drinnen!«
    Der Vater stand mit ausgestreckten Händen regungslos da.
    Er riss ein weiteres Zündholz an, und der leere Raum kehrte zurück. In der Ecke stand eine alte Pferdekarre mit leeren Holzkisten und Brettern. Er goss etwas Benzin auf das Rad, die Deichsel und die Bretter. Er konnte den Kanister zuschrauben und sich außer Reichweite bringen, bevor das Streichholz abgebrannt war.
    »Das ist es also, was du willst«, sagte er zu seinem Vater in der Dunkelheit. »Aber jetzt kannst du mir nicht die Schuld geben.«
    Dann flammte der Raum erneut auf, doch diesmal wurde er vollständig und unwiderruflich erleuchtet. Wieder einmal hatte er den perfekten Ort gewählt. Die Flammen schlugen sofort hoch auf. Als hätten sie sich irgendwo versteckt und nur auf diesen Moment gewartet. Das ganze Rad brannte, die Bretter und Kisten, der Raum wurde warm und lebendig. Vorläufig brannte allerdings nur der Karren ordentlich, aus dem Rad fielen rotglühende Speichen zu Boden. Doch es sah so aus, als würden die Flammen sich wieder sammeln. Es lag an dem alten Heu auf dem Boden. Es entzündete sich sofort, das Feuer raste auf die Wand zu. In wenigen Sekunden hatten sich die Flammen vereint und stiegen an der Wand in die Höhe, so hoch, dass die obersten Zungen bereits am Dach leckten. Nun war alles getan, der Rest würde sich von allein ergeben. Er zog sich zur Tür zurück.
    »Hörst du, Papa! Es hilft nichts, dort stehenzubleiben und zu beten!«
    Er zögerte einige Sekunden, wobei er in die Flammen starrte. Der ganze Raum glühte in diesem unwirklich tanzenden Licht. Er sah die Längs- und die Querverstrebungen des Dachs, und über den Querbalken entdeckte er kleine, schwarze Löcher. Schwalbennester. Er erstarrte einen Augenblick, als er die winzigen Vogelköpfchen sah, die sich über den Rand des Nestes reckten, er sah, wie die Schnäbel sich öffneten und schlossen, er hörte von oben das dünne Piepsen, dann fiel sein Blick auf die Schwalben, die verzweifelt in dem dichten Rauch unter dem Dach kreisten.
    Er warf die Tür fest hinter sich zu. Taumelte rückwärts, während er sich die Augen rieb. Er hatte Benzin an den Fingern, seine Augen brannten, als stünde sein ganzes Gesicht in Flammen. Schließlich sank er auf die Knie, riss feuchtes Gras ab und wischte sich damit die Augen aus, nach einer Weile war das Schlimmste überstanden. Dann entdeckte er die Augen. In ihnen leuchtete es.
    »Da bist du also«, sagte er zu dem schwarzen ruhigen Tier und sah eine Reihe weiterer Kühe auf der Weide. Sie standen oder lagen im Halbdunkel verteilt, aber nur diese eine in seiner unmittelbaren Nähe hatte alles gesehen. Die Kuh hob ihren schwarzen

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