Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Titel: Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Bødker
Vom Netzwerk:
Kälte und die Dunkelheit. Ich kann nicht einfach nach Hause zurück. Weiß, dass sie mich finden werden. Hier aber bin ich unsichtbar, nur eine weitere suchende Seele, die den Worten des Apostels lauschen und spüren möchte, dass Gott auch an einem dunklen und kalten Januartag in einem verfallenen Hinterhaus in Nørrebro zugegen ist.
    »He descended into hell; the third day He rose again from the dead; He ascended into Heaven, sitteth at the right hand of God the Father Almighty.«
    Die monotone Stimme lullt mich ein, bis ich zur Ruhe komme. Ich merke, wie all meine Glieder schwer werden und ich nicht länger dagegen ankämpfe. Bald muss ich weiter, einen sicheren Ort suchen, doch hier, zwischen meinen Nächsten, finde ich wenigstens für einen kurzen Moment Zuflucht. Hier kann ich zu Kräften kommen, damit ich wieder denken kann. Jetzt, da mein Körper warm wird, spüre ich mit einem Mal, wie nass meine Kleidung ist. Ich sehe an mir herunter. Meine Jeans sind hinüber, verschmierte Ölflecken vom dreckigen Schnee, Spritzer von Blut, nein, Blutflecken auf meinem Pullover.
    Blut? Zum ersten Mal blicke ich auf meine Hände. Sie zittern und sind dunkel vom getrockneten Blut.
    Ich bin Anisa. Vorzeigeneger und gejagtes Wild.

11
    E rzählen Sie mir etwas über Anisa«, bat Thor. »Vielleicht hilft uns das dabei, sie zu finden. Wenn ich es richtig verstanden habe, arbeitet sie hier als Sekretärin? Was genau gehört denn zu ihrem Aufgabenbereich? Anfallende Arbeiten, Kaffeekochen und solche Sachen?«
    Gunnerus sah Thor verblüfft an, und dann lächelte er zum ersten Mal richtig, während er zu Linnea hinüberschaute.
    »Hüten Sie sich vor solchen Vorurteilen«, sagte er. »Den Kaffee holen wir uns selbst am Automaten im Flur. Anisa hat einen B. A. im Fach Internationale Wirtschaftskommunikation. Sonst hätte ich hier im Büro auch keine Verwendung für sie gefunden. Sie koordiniert meine Treffen mit Ministerialausschüssen, hilft mir bei Entwürfen zu Reden und anderen Dingen, die man von einer Assistentin der Geschäftsleitung erwarten kann. Sie ist ein Musterbeispiel für gelungene Integration und eine unglaublich gute Arbeitskraft.«
    Nun erkannte Linnea Gunnerus’ Leidenschaft wieder, mit der er auch von seinen zahlreichen Hilfsprojekten sprach.
    »Ich habe sie in einem Flüchtlingslager kennengelernt, das ich in der Zentralafrikanischen Republik besucht habe«, fuhr er fort. »Sie können sich nicht vorstellen, welches Leid sie zu diesem Zeitpunkt schon erfahren hatte. Sie hat nie viel darüber erzählt, obwohl ich sie selbst schon einige Male in Therapie hatte. Ich habe vor einer halben Ewigkeit Psychologie studiert, ehe ich dann auf Politologie umgesattelt habe«, fügte er hinzu.
    Er machte eine Kunstpause.
    »Sie ist eine Hutu, kam jedoch mit dem gewaltigen Flüchtlingsstrom aus Ruanda. Ihre Familie wurde wahrscheinlich während des Völkermordes niedergemetzelt, genau wie es vielen Tutsis widerfahren ist. Bürgerkriege und Völkermorde enden meistens damit, dass alle Grenzen aufgehoben sind. Eine Zeitlang wohnte sie in einem der großen Lager in der Demokratischen Republik Kongo. Das war, bevor ich sie traf, und auch dort hat sie wahrscheinlich die reinste Hölle durchlebt.«
    Gunnerus sah Thor eindringlich an.
    »Es ist unfassbar, wie man so etwas überleben und anschließend damit weiterleben kann. Als ich sie zum ersten Mal traf, war sie siebzehn und schwer traumatisiert. Verwahrlost und jämmerlich wie alle, die in solchen Lagern leben müssen. Aber in den Augen dieses armen, abgemagerten Geschöpfs konnte ich immer noch die Intelligenz und das Potential funkeln sehen. Ich möchte euch nicht mit bürokratischen Details ermüden, denn in Dänemark sind sie wirklich schrecklich ermüdend. Jedenfalls bekam Anisa 2001 hier in Dänemark Asyl. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie im RCF in Risskov ihre Menschenwürde wiedererlangt.«
    »Das Rehabilitierungscenter für Flüchtlinge«, warf Linnea zur Erklärung ein.
    Gunnerus nickte. »Sie lernte in Rekordzeit Dänisch, wurde an der Handelsschule angenommen und machte anschließend ihren B. A. an der Copenhagen Business School. Ihr stehen alle Möglichkeiten offen.«
    Sein Lächeln verschwand abrupt, als würde ihm erst in diesem Moment der Ernst der Lage bewusst.
    »Also hat sie hier in Dänemark gar keine Familie?«, fragte Thor. »Und was ist mit einem Freund?«
    Gunnerus nickte, als müsse er sich zusammenreißen.
    »Ich habe ein paarmal versucht, mit ihr darüber

Weitere Kostenlose Bücher