Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
gleich.«
Warwick zögerte, in Gedanken war er wieder in den staubigen Straßen Mogadischus.
»Ich weiß nicht, wer diese Morde in Auftrag gegeben hat, aber es ist mir gelungen, Toftegaards E-Mail-Verkehr einzusehen, vor allem den mit Bente Hultin, also einem der anderen Ermordeten. Der Mailverkehr bezieht sich auf vieles, was wohl nur Eingeweihte verstehen, aber er erwähnt unter anderem ein Schiff namens Proserpine.«
»Diese Morde fallen nicht in unsere Zuständigkeit.«
Warwicks Chefin winkte ab und wechselte die Sitzposition, diesmal, ohne die Beine übereinanderzuschlagen. Sie machte deutlich, dass sie es eilig hatte, zu ihrer Sitzung zurückzukommen.
»Nein, aber die Fracht der Persephone ist sowohl unsere Zuständigkeit als auch unser Interesse, nicht wahr?«, fuhr Warwick fort. »Ich habe einen Bekannten beim Schiffsregister Lloyd in London kontaktiert. Es gibt kein Schiff mit dem besagten Namen. Nicht ein einziges.«
Er machte eine Kunstpause, um sicherzugehen, dass er Levitans volle Aufmerksamkeit hatte.
»Zum Glück ist mein Freund ein helles Köpfchen. Er interessiert sich für Mythologie, das hat er schon, als wir noch in Cambridge studiert haben, und pflichtbewusst ist er obendrein. Für ihn ergab es keinen Sinn, dass das erwähnte Schiff nicht existierte, also dachte er nach und suchte erneut.«
»Proserpine ist also ein Code für Persephone?«
Warwick warf seiner Chefin einen anerkennenden Blick zu und nickte.
»Sie haben einen Code verwendet, weil sie Angst hatten, offen darüber zu schreiben«, fuhr er fort. »Und Proserpine und Persephone ist ein und derselbe Name! In der griechischen Mythologie ist Persephone die Göttin der Unterwelt. Ein unschuldiges junges Mädchen, das von Hades entführt und zur Herrscherin über das Totenreich wird. Und wie lautet der Name der entsprechenden Göttin in der römischen Mythologie? Proserpina. Um deine Frage zu beantworten: Ich glaube also nicht, dass wir die Kriminalpolizei sind. Aber ich glaube, dass wir ein immenses Interesse haben, zu erfahren, warum drei dänische Entwicklungshelfer ermordet wurden, weil sie etwas über ein mit Waffen beladenes dänisches Schiff wussten.«
Nora Levitan erhob sich. Jetzt hatte sie wieder diesen hektischen Ausdruck in den Augen, und endlich verstand Warwick, was hier eigentlich gerade stattfand. Es war eine späte abendliche Besprechung des Sicherheitsausschusses der Regierung. An den monatlich stattfindenden Treffen des Sicherheitsausschusses der Ministerien nahmen nur Regierungsbeamte teil, aber die heimlichen Treffen erforderten die Anwesenheit der Chefs sowohl von Abschirm- als auch Nachrichtendienst und Vertretern des Staats- und Außenministeriums.
»Du hast recht«, sagte Levitan schließlich. »Ich verlasse mich natürlich auf dich. Du musst nur dafür sorgen, dass diese Sache geheim bleibt.«
Mit diesen Worten schritt sie über den Teppich davon, und diesmal sorgte ein emsiger Beamter dafür, dass Warwick nicht sehen konnte, wer außerdem an dieser Runde teilnahm.
22
E ndlich zu Hause. Linnea knallte die Tür hinter sich zu und ging in die Küche, um einen Korkenzieher und einen Aschenbecher zu suchen. Es war ihr egal, dass ihre schmutzigen Winterstiefel Spuren auf dem hellen Holzboden hinterließen, als sie quer durch die Wohnung stapfte. Sie trat sogar gegen ein paar Umzugskartons, die ihr im Weg standen. Ihre Laune hatte sich auf der Fahrt nach Valby nicht verbessert, im Gegenteil, sie war sogar noch wütender geworden, als sie darüber nachdachte, wie sie sich Thor gegenüber geöffnet hatte. Und der hatte sie nur ausgefragt, um mit seinem Fall weiterzukommen.
»Verdammte Scheiße!«
Der Korken brach ab, und sie musste die Krümel aus ihrem Weinglas fischen, bevor sie trinken konnte. Zum Glück hatte sie noch einen Notvorrat an Zigaretten versteckt. Sie rauchte nicht oft, aber jetzt hatte sie ein enormes Bedürfnis danach. Umso mehr, weil Thor gerade intensiv daran arbeitete, dass sie dieses Laster endgültig aufgab. Zornig wischte sie sich die Tränen ab, die ihr unablässig über die Wangen liefen. Sie wusste genau, warum sie bei dieser Sache tiefrot sah: weil sie sich so unglaublich dumm fühlte. Eigentlich war sie sogar froh gewesen, endlich einmal über den Tod des Vaters zu sprechen. Und sogar ein bisschen gerührt über Thors Fürsorge und Interesse, nachdem sie ihre Gefühle und Zweifel viel zu lange für sich behalten hatte. Sie hatte sich eingebildet, es würde mit der Zeit besser
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