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Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)

Titel: Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Bødker
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denn ich wage es nicht, den Ofen anzuheizen. Will kein zusätzliches Risiko eingehen für ein bisschen Wärme. Ich habe mich schon einmal durch eine Rauchsäule verraten. Die Bilder überwältigen mich erneut, ich bin nicht mehr stark genug, um sie auszuhalten.
    Wir sind sieben Kinder, die sich in der Not zusammengetan haben. Sieben Mädchen und Jungen auf der Flucht aus einer zerstörten Stadt, in der die Soldaten alle töten, die ihnen über den Weg laufen. Und wo die Nachbarn einander töten, wenn die Soldaten nicht da sind. Tod und Gewalt sind alltäglich geworden, und uns bleibt nichts als die Flucht. Wir haben schon lange nicht mehr geweint. Wir haben keine Tränen mehr wegen all der Dinge, die wir gesehen haben.
    Auf der verzweifelten Suche nach Wasser und etwas Nahrung haben wir uns in den Dschungel gewagt. Die Dörfer wirken friedlich und einladend. Sehen aus wie ein Zuhause, aber wir wissen es besser. Der kleine Mike stupst mich an, als wir uns den Hütten nähern. Er ist neu. Seine Stimmung ist beinahe hoffnungsfroh.
    »Ich habe von diesem Ort gehört. Angeliques Eltern kommen von hier.«
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Sie sind bestimmt tot wie alle anderen auch. Oder kennst du jemanden, der noch Eltern hat?«
    Wachsam bewegen wir uns durch das Dorf, aber dort herrscht völlige Stille. Die Toten liegen immer noch vor den Hütten, dort, wo sie zusammengesackt sind. Einigen hat man auf dem zentralen Platz die Kehlen durchgeschnitten. Sie haben nicht mehr viel Fleisch auf den Rippen, es muss lange her sein, dass die Soldaten hier gewesen sind.
    Schon nach kurzer Zeit haben wir etwas Essbares gefunden, und ich durchsuche die letzten Hütten, während einige der anderen ein Feuer machen. Der kleine Mike folgt mir wie ein Hund seinem Herrchen. Ich verpasse ihm eine kräftige Ohrfeige, als er vor der Leiche einer Frau stehen bleibt, der man das Kind aus dem Leib gerissen hat. Sie liegt in der Tür der letzten Hütte.
    Ich steige über sie hinweg und gehe hinein.
    »Weiter, Junge. Such nach Essen.«
    Die anderen warten auf uns, als wir zurückkommen. Von der Feuerstelle steigt eine hohe Rauchsäule in den Himmel empor, und hinter unseren Kameraden stehen drei feixende Soldaten und richten ihre Maschinengewehre auf uns.

37
    E s war ein Kraftakt, wieder auf die Beine zu kommen und Thor in die Vorhalle zu lassen. Anschließend hatte er sich um alles gekümmert. Hatte Linnea auf eins der Sofas gelegt, die an den Wänden standen. Ihr einen Becher Kaffee besorgt. An jenem Automaten, von dem sie geschworen hatte, ihn nie wieder anzurühren. Der alles von Kaffee Latte bis Wiener Melange versprach, obwohl jedes Getränk gleich abscheulich schmeckte. Aber diesmal war ihr alles völlig egal. Egal, wie der Kaffee schmeckte, und egal, dass Thor sah, wie sie die Kontrolle über sich verlor, als sie schluchzend von der Begegnung mit der Geliebten des Vaters erzählte. Zum ersten Mal war es ihr egal, dass er hörte, wie ihre Stimme zitterte, und sah, wie sie weinte.
    »Ich bin wieder zurück in die Kirche gelaufen, als ich begriffen habe, dass die Tür von außen abgeschlossen war. Von dort konnte ich drei andere Ausgänge sehen. Und ich habe um Hilfe geschrien, während ich an einer Tür nach der anderen rüttelte. Alle waren verschlossen. Ich habe fieberhaft auf die Uhr geschaut. Noch acht Minuten. Ich wusste, dass ich von dort wegkommen musste, bevor die zwanzig Minuten vergangen waren. Egal wie. Ich habe mich umgesehen, bin zum Altar gelaufen und habe mir einen Stuhl genommen. Habe ihn mitgeschleppt und bin auf eine der Bänke gesprungen, die seitlich des Kirchenschiffs unter den Fenstern standen. Ich muss wie eine Wahnsinnige ausgesehen haben, als ich versucht habe, das Fenster mit einem Stuhl zu zertrümmern, den ich kaum heben konnte. Nichts passierte. Noch sechs Minuten. Atemlos habe ich mich gegen eine Säule gelehnt. Ich war kurz davor, aufzugeben, aber dann ist mein Blick auf ein Eisenkreuz gefallen, das gegen die Wand gelehnt auf dem Boden stand. Es war schwer, aber ich konnte es auf meine Schulter hieven. Ich bin noch einmal auf die Bank geklettert und habe das Kreuz durch das nächstgelegene Fenster geschmettert. Es hat einen Riesenknall gegeben, als das Kreuz durch das Glas schlug, und ich konnte spüren, wie die Luft von außen hereinströmte. Das Kreuz war verbogen, aber trotzdem ist es mir damit gelungen, das Loch in der Scheibe zu vergrößern. Bis ich mich endlich hinaufziehen und hindurchklettern konnte.

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