Bewahre meinen Traum
Sommer nach Baseball. In der Stadt war er der Star seines Teams gewesen. Und auch hier in Avalon hatte er die Chance, zu strahlen.
Oder auch nicht, dachte Greg und wartete im Auto, während das Team sich zur Nachbesprechung des Trainings um Coach Broadbent versammelte.
Gregs Telefon klingelte. Bitte, lass es sie sein. Er klappte das Handy auf und schaute erwartungsvoll auf das Display. Nein, es war nur sein Anwalt. Greg ließ das Telefon klingeln, bis die Mailbox ranging. Er blickte finster vor sich hin. Es machte ihn wahnsinnig, dass Nina noch nicht angerufen hatte. Er hoffte so sehr, dass sie sein Angebot annehmen würde, aber er würde nicht darum betteln. In der Zwischenzeit sah er zu, dass er sich beschäftigt hielt und weiter daran arbeitete, seine Familie und seine Arbeit gleichberechtigt in sein Leben zu integrieren.
Was beides nicht sonderlich gut funktionierte.
Sechs der Gästezimmer waren immer noch im Umbau und würden im Stil der Zeit neu möbliert werden müssen. Das Verwalterhaus, in dem er mit den Kindern lebte, war immer noch ein einziges Chaos aus Umzugskisten und nicht zueinander passenden Möbeln. Das Bootshaus und der Steg brauchten auch dringend eine Überarbeitung. Auf der Habenseite jedoch konnte er verbuchen, dass er schon so etwas wie eine Belegschaft zusammen hatte. Ein Informatikberater hatte ihnen ein Reservierungssystem installiert, das für Daisy kein Problem darstellte. Sie hatte die Software sogar mit ihren Fotos personalisiert. Die Website war online, und mit einem gewissen surrealen Erstaunen sah Greg, wie die Anfragen und Reservierungen sich in seinem E-Mail-Posteingang sammelten. Wie auch immer, Personal, eine gute Website und ein Reservierungssystem bedeuteten gar nichts, solange der General Manager nicht gefunden war, der alles organisieren würde.
Nina Romano ist nicht die einzige Besetzung für diesen Posten in der Stadt, sagte er sich. Oder auch außerhalb der Stadt. Der Wirtschaftsberater, den Greg angeheuert hatte, hatte angeboten, ihm eine Auswahl erfahrener Kandidaten zu schicken. Aber Nina war die Einzige, die er wollte. Sie würde perfekt passen. Wenn es darum ging, ein luxuriöses, intimes Hotel zu führen, war es am Wichtigsten, die richtigen Leute dafür zu bekommen. Nina war genau richtig. Er hatte so ein Gefühl, was sie anging. Sie hatte ein Selbstbewusstsein und eine Erfahrung wie niemand sonst. Das Problem war, dass sie das Inn nach ihren Regeln hatte leiten wollen, und das hatte Greg ihr vermasselt. Nun lag es an ihm, sie zu überzeugen, dass sie beide von der jetzigen Konstellation profitieren konnten. Doch bisher war er dabei nicht sonderlich erfolgreich gewesen.
Coach Broadbent beendete seine Besprechung mit den Spielern, und Greg stieg aus dem Wagen aus. „Max!“, rief er und winkte seinem Sohn.
Max schnappte sich seinen Matchbeutel und die Wasserflasche und sprintete in Richtung Parkplatz.
„Hey, Kumpel. Wie war das Training?“
„Okay“, sagte Max.
„Gut, das habe ich provoziert. Lass es mich anders formulieren: Erzähl mir alles, was du heute im Training gemacht hast.“
Max packte seine Sachen auf die Rückbank des Trucks. „Nur den üblichen Kram.“
Greg bemerkte, dass Max’ Sportsachen – graue Kniebundhosen, blaues Shirt und weiße Kappe – genauso sauber waren wie vor dem Training. Das Kind hatte nicht einmal geschwitzt. „Als ich hier ankam, hast du auf der Bank gesessen.“
„Hab ich?“
„Willst du, dass ich mal mit deinem Coach spreche?“
„Da-ad.“ Max dehnte das Wort über zwei Silben.“ Ich komm alleine mit dem Coach klar, okay?“
„Das habe ich mir gedacht.“ Greg musterte seinen Sohn. Sandfarbene Haare, Sommersprossen und ein Lächeln, das unzählige Probleme verbarg.
„Aber tu es auch“, sagte er. „Es hat keinen Sinn, ein ganzes Training auf der Bank zu vergeuden.“
„Ich hab nicht …“ Max unterbrach sich selbst und stieg ein. „Können wir jetzt los? Ich bin am Verhungern.“
Klassische Vermeidungsstrategie, bemerkte Greg. Das war typisch für Max – er wandte den Problemen den Rücken zu und behielt alles für sich. Später im Sommer würde Max in Begleitung von Sophies Eltern, den Lindstroms, nach Holland fliegen. Noch später würden er und seine Mutter rechtzeitig für Olivias Hochzeit nach Avalon zurückkehren. Max gefiel der Plan nicht. Ihm missfiel die Vorstellung, dass er dreieinhalbtausend Meilen zurücklegen musste, um bei seiner Mutter sein zu können, aber er hatte keine Wahl.
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