Bewegungswissenschaft
Subjekt und Umwelt (Kap. 3.1.3). Die Entwicklung kennzeichnet der fortschreitende Aufbau von individuellen Kenntnissen, Einsichten und Erfahrungen.
3.1.1 Was sind die Kernannahmen organismischer Phasenkonzepte?
Die bis Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts in der entwicklungspsychologischen und sportwissenschaftlichen Fachliteratur dominierenden organismischen Phasenkonzepte – Ontogenese als Entfaltung – erachten weder Umwelteinflüsse noch selbstständig handelnde Subjekte als notwendige Entwicklungsvoraussetzungen ( vgl. Abb. 66 ). Als die alleinigen Impuls- und Richtungsgeber kognitiver und motorischer Verhaltensveränderungen gelten endogene „schicksalsbestimmte“ Anlagefaktoren. Die Ausformung der Gesamtpersönlichkeit beruht ausschließlich auf der körperlichen Entwicklung. Vorherrschend sind biologische Wachstums- und Reifungsprozesse, die, unabhängig von exogenen Einflusskomponenten, nach vorprogrammierten phasen- undstufenförmigen Gesetzmäßigkeiten verlaufen und scheinbar hoch mit dem kalendarischen Alter korrelieren. Die sich unausweichlich einstellenden Entwicklungsresultate sind irreversibel. Die physikalische und soziale Umwelt stellt dem Menschen lediglich zu bestimmten Zeitpunkten fördernde Anreize oder hemmende Widerstände zur Verfügung, um altersgemäße Aufgaben und Anforderungen zu realisieren.
Die zur Zeit der Theorie der Leibeserziehung favorisierten organismischen Entwicklungskonzepte von M ÖCKELMANN und S CHMIDT (1952, 1981) oder N EUMANN (1964) betrachten nahezu ausschließlich die leib-seelische Ontogenese von Schulkindern und Jugendlichen (6.-18. Lebensjahr). Die Entwicklung stellt einen „naturgegebenen“, endogen bestimmten Prozess dar, der einen eigenen Rhythmus aufweist und keine Störungen von außen erfährt. Die Ontogenese verläuft nicht geradlinig oder kontinuierlich, sondern nach festgelegten, nicht umkehrbaren Abfolgen von Entwicklungsphasen und -stufen. Ihre Aufeinanderfolge definiert die klassische Entwicklungsforschung als Fortschritt oder Schichtung vom Einfachen zum Komplexen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Entwicklungsphasen nimmt das Individuum mehr oder weniger krisenhaft wahr. Als alleiniges Kriterium für die Beurteilung des leib-seelischen Entwicklungsstandes zählt die Motorik.
Das Schulkind- und Jugendalter unterteilen M ÖCKELMANN und S CHMIDT (1952, 1981) in fünf Entwicklungsabschnitte: 6.-10. Lebensjahr : indifferentes Leib-Seele-Verhalten, 9.-12. Lebensjahr: Festigung kindlicher Strukturen, 11.-15. Lebensjahr: Auflösung kindlicher Strukturen, 13.-18. Lebensjahr: Neuformung und Reifung sowie ab dem 16. Lebensjahr: Festigung geschlechtsspezifischer Strukturen.
Die wesentlichen Verdienste organismischer Phasenkonzeptionen liegen darin begründet, dass diese erstmals in der Geschichte der Entwicklungspsychologie auf die qualitativen Unterschiede in der Ontogenese von Kindern und Erwachsenen sowie die Gefahr des Nichtbeachtens von Entwicklungsabschnitten aufmerksam machen. Die Hauptkritikpunkte lassen sich wie folgt bündeln: Die Darstellung der Entwicklung als ausschließlich biogenetisch gesteuerter phasenförmiger Prozess wird nur unzureichend empirisch gestützt. Die alleinige Bedeutsamkeit genetischer Determinanten für die beobachtbaren interindividuellen Merkmalsdifferenzen bewertet die moderne Verhaltensforschung als unrealistisch. Dies belegen Zwillings- und Eltern-Kind-Ähnlichkeitsstudien (vgl. Kap. 4). Des Weiteren suggerieren organismische Phasenkonzeptionen eine lebenslange „absolute“ Stabilität und das Fehlen von Veränderungen. Da die Ontogenese des Menschen nachweisbar vielschichtige Anlage- und Umweltfaktoren bestimmen, sind Veränderungen lebenslang möglich. Nach der Grundauffassung organismischer Phasenmodelle äußert sich der Beginn eines neuen Entwicklungsabschnittsgleichermaßen in den verschiedenen Persönlichkeitsdimensionen. Nach neueren empirischen Befunden stellen ontogenetische Asynchronitäten eher die Regel als die Ausnahme dar. Schließlich führt die von organismischen Entwicklungstheorien favorisierte Altersgebundenheit der einzelnen Entwicklungsphasen zu einer empirisch nicht belegbaren Annahme durchschnittlicher Entwicklungsverläufe. Typisch ist hingegen eine breite interindividuelle und interkulturelle Variabilität des Entwicklungstempos und des Entwicklungsniveaus.
3.1.2 Was besagen exogenistische Phasenkonzeptionen?
Die maßgeblich durch die behavioristischen Lerntheorien von T
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