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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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kann hierdurch innerhalb gewisser Grenzen wie bei einem Gummiband in zeitlicher (horizontaler) und dynamischer (vertikaler) Hinsicht proportional gedehnt oder gestaucht werden, ohne die invarianten Programmkennwerte zu verändern ( vgl. Abb. 40 ).

    Abb. 40: Parametrisierung des Impuls-Timing-Musters ohne Veränderung der invarianten Programmkennwerte (mod. nach R OTH , 1990, S. 15)
a ) Proportionale vertikale Kraftstauchung
b ) Proportionale horizontale Bewegungszeitstreckung
    Zur Klassenbreite generalisierter motorischer Programme liegen experimentelle Studien zum Schwimmen (B OBER & C ZABANSKI , 1975; M ARARENKO , 1978), Handballschlagwurf (R OTH , 1989) oder Tennisvorhandschlag vor (W OLLNY , 1993). Für das sportliche Gehen in der Leichtathletik belegt W OLLNY (1993) mit der Untersuchungsmethode der Elektromyografie ( vgl. Lektion 11 ) für den im Training üblichen Geschwindigkeitsbereich (8-10 km/Std.) und die Wettkampfgeschwindigkeit (12-14 km/Std.) die Invarianz des Sequencings und des relativen Timings.
    Neben den beiden Programmparametern Gesamtbewegungszeit und Gesamtkrafteinsatz benennt S CHMIDT vier weitere leicht zu verändernde Programmparameter: die Muskelauswahl (spezifische Muskelgruppen), den Bewegungsumfang und zwei räumliche Bewegungsparameter : Bewegungsrichtung und Gelenkwinkel. Der Tennisspieler kann den Vorhandschlag durch Veränderung einzelner Programmparameterwerte unter Beibehaltung der invarianten Programmbestandteile mit einer hohen oder geringen Beschleunigung des Schlägerkopfs, parallel (longline) oder diagonal (cross) und mit dem rechten oder linken Arm realisieren.
    Die in Abbildung 41 dargestellten elektromyografischen Resultate einer Invarianzstudie zum Tennisvorhandschlag longline gelten als Einzelbelege für die Unabhängigkeit motorischer Rahmenprogramme von der ausgewählten Muskulatur. Konkret wurden leistungssportliche Tennisspielerinnen instruiert, den Vorhandschlag mit der linken und rechten Körperseite zu realisieren. Die elektromyografischen Analysen belegen signifikante Übereinstimmungen im Sequencing und relativen Timing der bewegungsausführenden Skelettmuskeln der beiden Körperseiten. Vergleichbare elektromyografische Befunde liegen für verschiedene Bewegungstechniken der rhythmischen Sportgymnastik vor (W OLLNY , 1993).

    Abb. 41: Elektromyografische Studie zur Muskelunabhängigkeit generalisierter motorischer Programme beim Tennisvorhandschlag longline (mod. nach W OLLNY , 1993, S. 173)
a ) Elektromyogramme der linken und rechten Körperseite einer Versuchsperson
b ) Prozentuale Muskelaktivitätszeiten der linken und rechten Körperseite einerVersuchsperson
    Schema Theory of Discrete Motor Skill Learning von S CHMIDT
    Bedeutsam für die situative Anpassung der Impuls-Timing-Programme postuliert S CHMIDT (1988) in der Schema Theory of Discrete Motor Skill Learning zwei voneinander unabhängige Gedächtnisinstanzen, so genannte motorische Schemata . Im Allgemeinen stellen Schemata spezifische Wissensstrukturen dar, die typische Zusammenhänge eines Realitätsbereichs wie das generelle Aussehen eines Flugzeugs strukturieren.Im Verlauf des Lernprozesses präzisiert der Mensch einzelne Variablen des Schemas „Flugzeug“ wie den Typ oder die Antriebsart durch konkrete Kennwerte (Flugzeugtyp: Segelflugzeug, Doppeldecker, Sportflugzeug, Kampfjet; Antriebsart: Propeller, Düsentriebwerk). Nach der Schematheorie von S CHMIDT baut der Mensch für jedes generalisierte motorische Programm zwei eigenständige Gedächtnisinstanzen auf: das Wiedergabeschema und das Wiedererkennungsschema.
    Das Wiedergabeschema (recall schema) ist für die Selektion angemessener Parameterkennwerte (Gesamtbewegungszeit, Gesamtkrafteinsatz, Muskelauswahl, Gelenkwinkel usw.), das Einlesen der ausgewählten Parameterkennwerte in das motorische Rahmenprogramm und die Kontrolle schneller Bewegungen (150-200 ms) zuständig. Außerhalb des Verantwortungsbereichs des Wiedergabeschemas liegt es, inwieweit die Auswahl eines bestimmten Parameterwerts taktisch richtig oder falsch ist (R OTH , 2005).
    Das motorische Wiedergabeschema entwickelt sich aus den Beziehungen zwischen den Informationen über das erreichte Bewegungsergebnis (x i ), den in das Bewegungsprogramm eingelesenen Parameterwerten (y i ) und den Erfahrungen über die situativen Ausgangsbedingungen (z i ). Diese drei Informationsbausteine werden nach jedem Übungsversuch zu einem x i -y i -z i -Datenpunkt zusammengefasst. Mit

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